Essen. Mit Entsetzen und Unverständnis haben die nordrhein-westfälischen Parteien auf den Aufruf der NRW-Linken zu sozialen Unruhen reagiert. SPD und CDU bezeichneten Andrej Hunko, Mitglied im Landesvorstand, als "Westentaschenrevoluzzer" und "antidemokratischen Extremisten". Die Linke hält zu ihm.
Den Aufruf vom „Die Linke“ -Landesvorstandsmitglied Andrej Hunko zu sozialen Unruhen in Deutschland haben die Vertreter der übrigen nordrhein-westfälischen Parteien am Montag einhellig verurteilt.
Die Generalsekretär der nordrhein-westfälischen Sozialdemokraten, Michael Groschek, distanziert sich auf Anfrage von „DerWesten“ mit deutlichen Worten vom Vorstoß der NRW-Linken. Er bezeichnet die Vertreter der Linkspartei in Nordrhein-Westfalen als „pseudostudentische Westentaschenrevoluzzer“, die mit ihrem Aufruf zu sozialen Unruhen bewiesen, dass sie sich „auf dem Weg zurück zur politischen Sekte“ befänden.
CDU: "Spaltung und Radikalisierung der Gesellschaft"
Das Schüren blinder Wut bei den Bürgern sei in Zeiten der Krise der falsche Weg; es tue jetzt Not von Seiten der Politik den Menschen Mut zu machen. Da sich „Die Linke“ in der Krise aber eher als Problem denn als Problemlöser herausstellen würde, handele es sich bei dem Aufruf zu sozialen Unruhen um eine Verzweiflungstat, um sich beim Wähler anzubiedern.
Ähnlich deutlich wird Hendrik Wüst, Generalsekretär der NRW-CDU: Die Linkspartei sei „eine Ansammlung von Spaltern, Demagogen und Extremisten, die angesichts der Weltwirtschaftskrise „wie Rattenfänger Kapital aus dem Leid anderer schlagen“ wollten. Durch ihren Aufruf zu sozialen Unruhen bewiesen sie erneut, „dass sie außerhalb des demokratischen Spektrums“ stünden. Dies betont auch die Junge Union Nordrhein-Westfalens in einer Presseerklärung. Ihrer Meinung nach sei die Linke eine Partei mit einem „antidemokratischen und gewaltverherrlichenden Wesen“, der es um „Radikalisierung und Spaltung der Gesellschaft“ gehe. Aus dem Aufruf Hunkos werde deutlich, dass die Linkspartei einen Umsturz hervorrufen wolle, der auf die freiheitlich demokratische Grundordnung ziele.
"Brandstifter" mit "Lust am Protest"
Für die nordrhein-westfälischen Liberalen zeugen die Äußerungen Hunkos von einer "Brandstiftermanier" seiner Partei. Mit solchen Aufrufen und der Forderung nach einem politischen Generalstreik lege die Linke "die Axt an die Grundachse der sozialen Marktwirtschaft in Deutschland", betonte der FDP-Generalsekretär Christian Lindner. Mit "klassenkämpferischen Parolen" würde hier "die Stabilität der Bundesrepublik gefährdet".
Weniger aggressiv, aber dennoch ablehnend reagieren die NRW-Grünen auf den Kurs der Linkspartei. Vorsitzende Daniela Schneckenburger kritisiert, Hunko habe sich „mindestens im Ton vergriffen“. Ihrer Meinung nach bündeln die „richtungslosen Aufrufe“ der Linken zu sozialen Unruhen keine politischen Kräfte, sondern schüren Ängste an der falschen Stelle. Hunkos Aktion „atme die Lust am Protest“.
Gewerkschaften: "Kein Interesse an sozialen Unruhen"
Auch von Gewerkschaftsseite schlagen der NRW-Linken kritische Töne entgegen: Barbara Hemkes, Pressesprecherin des Deutschen Gewerkschaftsbundes Nordrhein-Westfalen, betonte gegenüber „DerWesten“, der DGB sei weder für die Möglichkeit von Generalstreiks in Deutschland, wie sie „Die Linke“ -Chef Oskar Lafontaine bereits in der vergangenen Woche forderte, noch hätten die Gewerkschaften Interesse am Aufkommen sozialer Unruhen.
Die Linkspartei in Nordrhein-Westfalen steht dagegen hinter dem Vorstoß ihres Landesvorstandsmitgliedes und Bundestagskandidaten: Der Pressesprecher der NRW-Linken, Ralf Michalowsky, unterstützt den Aufruf zu sozialen Unruhen. Auf Anfrage von „DerWesten“ erklärt er, man müsse die Leute dazu bringen, auf die Straße zu gehen, statt sich hinter dem Fernseher zu verkriechen. Jeder Bürger müsse selbst für seine Rechte kämpfen.
Die Aufregung über die Pressemitteilung seines Parteikollegen versteht Michalowsky nicht, dieser sei „überinterpretiert“ worden. Keinesfalls wolle „Die Linke“ in Nordrhein-Westfalen zu Gewalt und brennenden Autos aufrufen, wie man sie mit den sozialen Unruhen aus dem vergangenen Jahr in den Pariser Vororten assoziiert. Stattdessen gehe es darum, „Protestformen zu entwickeln“, mit denen sich das Volk „artikulieren“ könne. Mit der Pressemitteilung sei lediglich für die Teilnahme an der DGB-Demonstration am 16. Mai in Berlin geworben worden.
SPD: "Assoziationen mit Frankreich bewusst gewählt"
Der nordrhein-westfälische Generalsekretär der SPD, Groschek, hält diese Interpretation von Hunkos Aufruf für eine „faule und dumme Ausrede“ für das Aufstacheln des Volkes zu Gewalt und Ausschreitungen. Laut Groschek habe Hunko die Assoziation zu den sozialen Unruhen in Frankreich bewusst gewählt.
Auch Barbara Hemkes vom Deutschen Gewerkschaftsbund NRW erklärt, der DGB sehe die für den 16. Mai angekündigte Demonstration in Berlin zwar als wertvolles Mittel, um sozialere Grundsätze in der Politik auszuhandeln. Ein „undifferenzierter Aufruf zu sozialen Unruhen“ stoße dagegen nicht auf Unterstützung der Gewerkschaften.
Heißes Thema soziale Unruhen in Deutschland
Andrej Hunko, Landesvorstandsmitglied und Bundestagskandidat der Linkspartei in Nordrhein-Westfalen, hatte am Montag in einer Presserklärung verlautbaren lassen, soziale Unruhen in Deutschland seien „notwendig und wünschenswert“. In seinem Aufruf appellierte er an die Bürger, sich bei ihrem sozialen Aspekt an französischen Verhältnissen zu orientieren und ihrem Protest bei der Demonstration der Deutschen Gewerkschaftsbundes am 16. Mai in Berlin Ausdruck zu verleihen.
Bereits vergangene Woche wurde das Thema „soziale Unruhen in Deutschland“ in Politik und Medien heiß diskutiert. Sowohl DGB-Chef Michael Sommer als auch die SPD-Kandidatin für die Bundespräsidentenwahl, Gesine Schwan, hatten angesichts der Wirtschaftskrise vor Ausschreitungen in der Bevölkerung gewarnt. Linkspartei-Chef Oskar Lafontaine forderte, die Möglichkeit eines politischen Generalstreiks in Deutschland einzuführen.