Essen. Die Neuverschuldung des Bundes erreicht erneut ein Rekordniveau. Die Regierung weckt mit ihrer Schuldenpolitik neue Begehrlichkeiten. Krisengeschüttelte Konzerne stehen Schlange. Nun installiert die Politik eine Schuldenbremse - allerdings erst für die Zeit ab dem Jahr 2020.

So schnell kann das gehen. Eben noch träumte Peer Steinbrück davon, als erster Finanzminister seit 1969 einen ausgeglichenen Bundeshaushalt ohne neue Kredite vorlegen zu können; stattdessen musste der oberste Kassenwart der Republik nun die höchste Neuverschuldung in der Geschichte der Bundesrepublik verkünden. Über 47 Milliarden pumpt sich der Staat in diesem Krisen-Jahr von den Banken. Nachschlag nicht ausgeschlossen.

„Mann, Mann, Mann!", würde TV-Schuldenberater Peter Zwegat angesichts der Misere kopfschüttelnd aufstöhnen und den spitzen Rotstift zücken. Doch wir sind nicht im Fernsehen, sondern in der real existierenden Politik – deshalb schweigt Zwegat und die FDP ergreift an seiner Stelle das Wort. „Ich habe die Sorge, dass Politikern in Deutschland jedes Schamgefühl dafür verloren geht, wie man mit Staatsvermögen umzugehen hat", mahnen die Liberalen in Person von Landtagsfraktionschef Gerhard Papke.

"Heldenmut nach Ladenschluss"

Die FDP hat es gut. Sie steht in Berlin nicht in Regierungsverantwortung und kann deshalb publikumswirksam auf den sparsamen Umgang mit Steuergeldern pochen. Das sei „Heldenmut nach Ladenschluss" entgegnen jene, die dran sind an der Regierung, CDU und SPD.

Doch wie steht es um den Heldenmut der Regierenden? Die Großkoalitionäre handeln derzeit nach dem Motto: „Ist der Haushalt erst ruiniert, spendiert's sich gänzlich ungeniert." Milliardenbürgschaften für Opel? Klar doch. Steuern runter für Agrardiesel? Aber sicher. Weitere finanzielle Entlastung von Unternehmen? Jawoll! Dürfen's ein paar Milliarden mehr sein?

Derartige Freizügigkeit weckt umgehend weitere Begehrlichkeiten, die Bittsteller stehen inzwischen Schlange in Berlin, vom (einstmals) so stolzen Karstadt-Konzern bis zum kleinen Milchbauern. Und nicht zu vergessen die Schaefflers und Porsches, die sich mit halsbrecherischen Übernahme-Aktionen selbst in die Miesen zockten. Die letzten Dämme drohen zu brechen, die Schuldenflut schwappt immer höher.

Ein Trumpf im Ärmel

Was er denn machen solle, fragt der Finanzminister achselzuckend in die Runde. Die Kavallerie mag gegen Indianer und Schweizer ein probates Mittel sein, gegen nervige Bittsteller ist sie machtlos.

„Wir können ja nicht die Hände in den Schoß legen", verteidigt Steinbrück seine wenig prestigeträchtige Rekordverschuldung. Doch die Politiker wären nicht Politiker, hätten sie nicht einen Trumpf im Ärmel: Sie zogen die Schuldenbremse.

Sie soll verhindern, dass das Loch in den öffentlichen Kassen von Bund, Ländern und Städten immer größere Ausmaße annimmt. Deshalb wird eine so genannte Schuldenobergrenze eingezogen. Der Bundestag gab bereits grünes Licht.

Raus aus der Verantwortung

Schluss also mit neuen Krediten und Rekordverschuldung? Kehrt tatsächlich Vernunft ein bei Parteien und Fraktionen? Krempeln wir die Ärmel hoch und bauen den Schuldenberg ab?

Nun ja. Einen Pferdefuß hat die Sache dann doch. Denn die Schuldenbremse soll vorsichtshalber erst im Jahr 2020 aktiviert werden. Damit ist sichergestellt, dass sich kein Politiker, der heute Verantwortung trägt, mit der lästigen Klausel herumschlagen muss.

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