Berlin. Trotz der schwierigen Haushaltslage wollen Union und FDP offenbar die Bürger entlasten. Für die FDP sind Steuersenkungen die Grundlage für eine schwarz-gelbe Regierungskoalition. Union und Liberale wollen zudem das Arbeitsrecht ändern und mehr Möglichkeiten für befristete Verträge schaffen.

Trotz des Schuldenbergs wollen die künftigen Koalitionspartner Union und FDP die Bürger von Steuern entlasten. Der haushaltspolitische Sprecher der Unionsfraktion, Steffen Kampeter, sagte am Freitag, die Leistungsträger im mittleren Einkommensbereich müssten über Steuersenkungen motiviert werden. Konkret bereitet Schwarz-Gelb offenbar Korrekturen bei Erbschaft- und Unternehmensteuern sowie steuerliche Vergünstigungen für Privathaushalte als Arbeitgeber vor.

Der FDP-Haushaltsexperte Otto Fricke hatte die Forderung der Liberalen nach Steuersenkungen durch eine mögliche schwarz-gelbe Regierungskoalition bekräftigt. Steuersenkungen seien «eine Voraussetzung» für die Koalition mit der Union, sagte der FDP-Bundestagsabgeordnete und Vorsitzende des Haushaltsausschusses am Freitag im ZDF-«Morgenmagazin». Wenn die Union den «Einstieg in ein neues Steuersystem» und Steuersenkungen ablehnen würde, «dann gäbe es ja auch keinen wirklichen Zukunftsplan», sagte Fricke. Zur Finanzierung von Steuersenkungen sei es unter anderem nötig, Subventionen zu streichen. Fricke sagte, es sei ein «Irrtum», zu glauben, die FDP wolle die Koalition «um jeden Preis». Er habe in dieser Frage gleichwohl «großes Vertrauen in die Bundeskanzlerin und in die CDU/CSU».

Koalition will mehr Flexibilität bei Zeitverträgen

Die schwarz-gelbe Koalition bereitet nach einem Zeitungsbericht Korrekturen bei Erbschaft- und Unternehmensteuern sowie Änderungen im Arbeitsrecht vor. Die Arbeitsgruppe «Wirtschaft, Energie, Aufbau Ost, Bürokratieabbau» plant zugleich steuerliche Vergünstigungen für Privathaushalte als Arbeitgeber, wie die «Stuttgarter Zeitung» unter Berufung auf einen Entwurf für eine Koalitionsvereinbarung berichtet. Allerdings seien in dem Koalitionspapier noch mehrere Punkte strittig.

Weitgehend einig ist sich der Zeitung zufolge die Arbeitsgruppe über Änderungen beim Arbeitsrecht: Unternehmen sollen mehr Flexibilität bei der Befristung von Arbeitsverträgen erhalten. Damit könnten in der Krise neue Jobs geschaffen werden, heiße es in dem Entwurf. Die erneute befristete Beschäftigung bei demselben Arbeitgeber sollte nach neun Monaten zulässig sein. Bisher darf ein Unternehmen einen Mitarbeiter nur einmal befristet anstellen.

Einig seien sich Union und FDP in der Arbeitsgruppe, dass «die krisenverschärfenden Elemente der Unternehmenssteuerreform 2008 beseitigt werden». Dazu zählten die Koalitionäre die Zinsschranke. Außerdem sollen Einschränkungen bei der Verlustübernahme und die Hinzurechnung von Zinsen, Mieten und Pachten bei der Gewerbesteuer gemildert werden. Vorgesehen seien außerdem Korrekturen bei der Erbschaftsteuer. Die Union will die so genannte Lohnsummenregelung überprüfen. Nach der Gesetzeslage kann Firmenerben ein Großteil der Erbschaftsteuer erlassen werden, wenn sie über sieben Jahre hinweg die Zahl der Arbeitsplätze in etwa stabil halten. Wegen der Krise soll diese Regel abgeschwächt werden. CDU/CSU wollen zudem Betriebsübergaben zwischen Geschwistern steuerlich erleichtern. Die FDP steht laut Zeitung auf dem Standpunkt, dass die Länder selbst entscheiden sollen, ob und in welcher Höhe sie Erbschaftsteuern erheben.

Die Arbeitsgruppe hat sich den Angaben zufolge im Grundsatz darauf verständigt, dass es steuerliche Anreize für Investitionen geben soll. Die so genannte Sofortabschreibung für geringfügige Wirtschaftsgüter soll von gegenwärtig 150 Euro auf 1000 Euro angehoben werden.

Erhöhung des Kindergeldes um bis zu 25 Euro im Gespräch

Die von Union und FDP in den Koalitionsverhandlungen diskutierte Erhöhung des Kindergeldes könnte nach einem Bericht der «Bild»-Zeitung geringer ausfallen als von den Liberalen im Wahlprogramm gefordert. Derzeit werde eine Anhebung um bis zu 25 Euro pro Monat diskutiert, schreibt die Zeitung unter Berufung auf Verhandlungskreise. Damit würde der Betrag auf knapp 190 Euro im Monat steigen. Eine solche Erhöhung würde rund fünf Milliarden Euro kosten. In ihrem Wahlprogramm fordert die FDP eine Anhebung des Kindergeldes auf 200 Euro.

Heftige Differenzen gibt es dem Zeitungsbericht zufolge in der Frage des Betreuungsgeldes für nicht berufstätige Mütter. Der FDP-Unterhändler Christian Lindner sprach sich laut Zeitung gegen das Betreuungsgeld aus und griff die bayerische Familienministerin Christine Haderthauer (CSU) an, die zuvor öffentlich noch einmal vehement dafür geworben hatte.

Lindner sagte dem Blatt: «Frau Haderthauer bricht leider notorisch die für die Gespräche vereinbarte Funkstille, um für ihr Betreuungsgeld zu trommeln. Mit den dafür benötigten zwei Milliarden Euro sollten wir aber nicht Symbolpolitik mit unklaren Nebenwirkungen machen, sondern besser konkret die Bildung von Kindern unterstützen.»

Schwarz-Gelb will Ausgaben für Bildung und Forschung steigern

Die künftige Koalition aus Union und FDP will an dem beim Bildungsgipfel im Herbst 2008 vereinbarten Ziel festhalten, die Ausgaben von Bund und Ländern für Bildung und Forschung bis 2015 auf zehn Prozent des Bruttoinlandsprodukts zu steigern. Das teilte die FDP-Forschungsexpertin Ulrike Flach dem «Kölner Stadt-Anzeiger» mit. «Bildung und Forschung ist das große Zukunftsthema», sagte sie der Zeitung. So sollen künftig sieben Prozent für die Bildung, drei Prozent für die Forschung ausgegeben werden. Unternehmen, die in Forschung investieren, solllten Steuernachlässe von bis zu zwei Milliarden Euro jährlich gewährt werden.

Ihr CDU-Kollege Michael Kretschmer sagte der Zeitung, die wichtigste Priorität der Union sei der Kampf gegen die Bildungsarmut. "Die Anzahl derer, die auf der Strecke bleiben, muss massiv reduziert werden», forderte er und mahnte die FDP überdies, es bringe nichts, «mit einem irren Ausgabenprogramm in die Schlussrunde» der Koalitionsverhandlungen zu gehen. Flach und Kretschmer gehören der Arbeitsgruppe Bildung/Forschung/Innovation an.

Die Arbeitsgruppe einigte sich nach Informationen der «Berliner Zeitung» auch darauf, das Hochschulrahmengesetz (HRG) abzuschaffen. Darin waren bislang unter anderem die bundeseinheitliche Hochschulzulassung und die Abschlüsse geregelt. Zukünftig sollen Bund und Länder in diesen Fragen statt dessen in einer neuen «Bildungspartnerschaft» zusammenarbeiten. In der alten Regierung hatte es die SPD abgelehnt, das HRG aufzuheben.

Beim BAföG für Studenten soll es dagegen keine Veränderungen geben, hieß es laut der Zeitung in Teilnehmerkreisen. Außerdem bekenne sich die Arbeitsgruppe zu den Milliardenprogrammen für Bildung und Forschung im Rahmen des Hochschulpakts, mit dem bis 2020 annähernd 300 000 neue Studienplätze geschaffen werden sollen. Auch der Pakt für Forschung und der Exzellenzwettbewerb zwischen den Hochschulen sollen fortgesetzt werden.

Nach einem Bericht der «Rheinischen Post» soll die Zentralstelle für die Vergabe von Studienplätzen (ZVS) neu geordnet und die Studienplatzvergabe verbessert werden.

FDP dementiert Einigung über heimliche Online-Durchsuchung

Die FDP hat dementiert, dass die Koalitions-Unterhändler in der Arbeitsgruppe Innenpolitik darauf verzichten wollen, das BKA-Gesetz zu ändern. «Es ist kein Geheimnis, dass die hochkomplexen Fragen des Schutzes der Bürgerrechte und der inneren Sicherheit zwischen Union und FDP nach wie vor strittig sind», sagte der FDP-Innenpolitiker Max Stadler der «Berliner Zeitung». Festlegungen würden am Ende eines Verhandlungsprozesses getroffen und nicht auf der ersten Hälfte der Wegstrecke.

Stadler sagte, es sei im Moment völlig verfrüht, über Zwischenergebnisse zu spekulieren. Wie aus der Arbeitsgruppe laut Zeitung weiter zu erfahren, sind Teilnehmer verärgert darüber, dass die Union immer wieder Falschmeldungen lanciere. Die ohnehin schwierigen Verhandlungen würden durch solche falschen Darstellungen noch stärker belastet, hieß es.

Verständigt hat sich die Arbeitsgruppe nach Informationen der Zeitung darauf, dass die Regelungen zur Sicherungsverwahrung für Straftäter vereinheitlicht werden. So sollen vor dem Ende der Haftzeit Gutachten über die Notwendigkeit der Sicherungsverwahrung erfolgen. (ddp/ap)