Berlin. In die politische Debatte um angemessene Hartz-IV-Sätze für Kinder kommt Bewegung. Mehrere Sozialminister der Länder deuteten Korrekturen an. Seit Dienstag beschäftigt sich auch das Bundesverfassungsgericht mit dem Thema. Wirtschaftsexperten jedoch warnen vor einer Erhöhung.

Bayerns Sozialministerin Christine Haderthauer (CSU) geht davon aus, dass sich die Sozialministerkonferenz im November für höhere Hartz-IV-Regelsätze für Kinder aussprechen wird. Den genauen Bedarf müsste der künftige Bundessozialminister anhand der vorliegenden Einkommens- und Verbraucherstudie ermitteln, sagte die derzeitige Konferenzvorsitzende am Mittwoch zum Rundfunksender rbb. Wirtschaftsexperten warnen hingegen vor einer Anhebung.

"Ich kann mir gut vorstellen, dass für Kinder möglicherweise in manchen Lebensaltersstufen sogar ein höherer Bedarf herauskommt als für Erwachsene», sagte Haderthauer dem Rbb-Inforadio. Im Interview mit den «Ruhr Nachrichten» sagte sie, Kinder seien keine kleinen Erwachsenen. Sie erhielten derzeit einen «willkürlich abgeleiteten Prozentsatz des Bedarfs, der für Erwachsene ermittelt worden ist».

Bundesverfassungsgericht prüft

Baden-Württembergs Sozialministerin Monika Stolz (CDU) sagte der Zeitung, angesichts der Bedeutung, die der Bekämpfung von Kinderarmut zukomme, müssten jetzt konkrete Entscheidungen getroffen werden und Taten folgen.

Auch die designierte stellvertretende SPD-Parteivorsitzende, Mecklenburg-Vorpommerns Sozialministerin Manuela Schwesig, hält die Hartz-IV-Regelsätze für Kinder für zu niedrig. «Ich gehe davon aus, dass eine gezielte Bedarfsermittlung dazu führt, dass die Regelsätze für Kinder erhöht werden müssen», sagte sie der «Rheinischen Post» vom Mittwoch. Der Bedarf für Kinder müsse gesondert ermittelt werden. «Wir brauchen bei den Hartz-IV-Regelsätzen für Kinder dringend mehr Transparenz und Gerechtigkeit.»

Das Bundesverfassungsgericht prüft derzeit Berechnungsgrundlage und Höhe der Hartz-IV-Leistungen. Dabei soll ein «menschenwürdiges Existenzminimum» der Maßstab sein, wie Gerichtspräsident Hans-Jürgen Papier bei der mündlichen Verhandlung am Dienstag sagte. Der Hartz-IV-Regelsatz für alleinstehende Erwachsene beträgt derzeit 359 Euro. Kinder bis sechs Jahre bekommen 215 Euro, danach 251 Euro und ab dem 14. Geburtstag 287 Euro im Monat.

Wirtschaftsforscher warnen

Wirtschaftsexperten warnen indes vor negativen Folgen einer Anhebung für den Arbeitsmarkt und die öffentlichen Kassen. «Höhere Hartz-IV-Sätze für Kinder könnten dazu führen, dass sich Arbeit für einige Familien vergleichsweise weniger lohnt», sagte der Arbeitsmarktexperte des Instituts der deutschen Wirtschaft (IW), Holger Schäfer, der «Bild"-Zeitung vom Mittwoch. Der ein oder andere würde dann seinen Job aufgeben, «weil für ihn die Stütze ausreichend» sei. Das führe wiederum zu höheren Kosten für die öffentliche Hand.

Die Zeitung wies auf Berechnungen des Bundes der Steuerzahler (BdSt) hin, wonach das verfügbare Einkommen vieler Arbeitnehmerfamilien teilweise nur wenige hundert Euro über den Bezügen von Langzeitarbeitslosen liegt. So komme etwa ein verheirateter Vater von drei Kindern und einem monatlichen Bruttoeinkommen von 2500 Euro unterm Strich auf 2368,04 Euro. Das seien 264 Euro mehr, als eine vergleichbare Hartz-IV-Familie bekomme.

BdSt-Hauptgeschäftsführer Reiner Holznagel kritisierte die geringen Einkommensunterschiede zwischen Arbeitnehmerfamilien und Beziehern von Hartz IV und forderte die neue Bundesregierung zu Steuersenkungen auf. «Wer hart arbeitet, muss künftig spürbar bessergestellt werden», sagte er der «Bild». (afp)