Das Bundesverfassungsgericht verhandelt über die Hartz-IV-Unterstützung für Kinder - so reagiert Gelsenkirchen.
Ein kleines Gedankenexperiment: Man stelle sich die Hauptribüne der Schalker-Veltins-Arena vor - vollbesetzt. Dann bekommt man eine Vorstellung von der Größe der Zahl: Fast 14 000 Kinder leben in Gelsenkirchen von Hartz-IV.
Seit gestern verhandelt das Bundesverfassungsgericht über die Frage, ob der Staat diese Kinder ausreichend unterstützt und ob die aktuellen Beträge ihren individuellen Bedürfnissen entsprechen. „Ein klares Nein”, kommt von Peter Spannenkrebs, dem Direktor der Caritas in Gelsenkirchen: „Kinder haben ganz andere Bedürfnisse als Erwachsene.” Die pauschale Berechnung des Kinder-Satzes als ein prozentualer Anteil am Anspruch eines Erwachsenen sei unangemessen: „Für Freizeitaktivitäten, Schule und Hobby sind nur Centbeträge vorgesehen - da bleibt vieles außen vor.”
Spannenkrebs plädiert aber weniger für eine „einfache Erhöhung” der Unterstützung, sondern für alternative Lösungen: „Mit Lehrmittelfreiheit und kostenlosem Zugang zu kulturellen Einrichtungen wäre schon vielen geholfen.” Damit würde auch die „Chancengleichheit” gefördert. Ähnlich sieht es auch Norbert Korte, Regionaldirektor des Paritätischen Wohlfahrtsverbandes: „Für alle Kinder sollen die gleichen Bedingungen gelten.”
Reiner Lipka, Geschäftsführer des Integrationszentrums für Arbeit in Gelsenkirchen (IAG) hat genau dort das Problem ausgemacht: „Das Geld reicht im Regelfall nur für ein Existenzminimum. Die individuellen Bedürfinisse der Kinder werden nicht berücksichtigt.” Habe eine Familie kein anderes Einkommen als die Grundsicherung, werde es „schwierig Rücklagen zu bilden.” Rücklagen, die wichtig sind, um den Kindern im Winter ein warmes Paar Schuhe zu kaufen oder sie an einer Klassenfahrt teilnehmen zu lassen.
Dass Eltern den erhöhten Kinder-Satz für die Befriedigung eigener Interessen ausgeben und das Geld so den Kindern vorenthalten, ist eines der Kernargumente von Reformgegnern. Lipka selbst kann das nicht bestätigen: „Meine Beobachtung ist, dass die meisten Familien sehr umsichtig und verantwortungsvoll mit dem Geld umgehen.” Die Erwachsenen sparten eher bei sich als bei ihren Kindern.
Deshalb befürchete Lipka auch keinen Missbrauch als das Integrationszentrum für Arbeit im vergangenen Sommer erstmalig ein „Schulgeld” ausgab: 100 Euro bekam jedes anspruchsberechtigte Kind zum Schulanfang.
Zahlen und Fakten
13964 - das ist die Zahl der Kinder, die laut dem Integrationszentrum für Arbeit stadtweit Grundsicherung beziehen. Dabei bekommen 5748 Kinder bis zum sechsten Lebensjahr 215 Euro, 5273 im Alter zwischen sieben und 13 jeweils 251 Euro und die 698 14-Jährigen sowie die 2245 im Alter zwischen 15 und 17 je 287 Euro. Die Beträge entsprechen 60, 70 und 80 Prozent des Erwachsenen-Satzes.