Washington. Bundesaußenminister Guido Westerwelle (FDP) ist am Donnerstag zu seinem Antrittsbesuch in den USA eingetroffen. Dort muss er bei aller Diplomatie zu seinem Antrittsbesuch auch den Ärger der Bundesregierung über die GM-Entscheidung zu Opel übermitteln.

Guido Westerwelle wollte bei seiner Premiere in Washington vor allem Verlässlichkeit demonstrieren, um Vertrauen werben, zuhören und Witterung aufnehmen auf der anderen Seite des Atlantiks. Was man halt so tut als nagelneuer Bundesaußenminister auf Kurzbesuch beim „wichtigsten Partner Deutschlands außerhalb von Europa“. Für schöne Bilder – vor dem Capitol, mit Amtskollegin Hillary Clinton im State Departement, mit dem mächtigen Außenpolitiker und Ex-Präsidentschaftskandidaten John Kerry und anderen US-Größen – war eigentlich alles bestens und akribisch vorbereitet. Auf das Auswärtige Amt mit seinem „enormen Wissens- und Erfahrungsschatz“, wie Westerwelle seit Amtsantritt nicht müde wird zu betonen, ist eben gerade unter Zeitdruck Verlass. Auf den Zufall nicht.

Merkel ist düpiert worden

General Motors gibt Opel doch nicht her. In Deutschland hängt der Haussegen schief. Und kaum ist die düpierte Bundeskanzlerin aus eben jenem Washington zurück, muss an diesem Donnerstag der Vizekanzler ran. Statt Amerika nur seine stolze Aufwartung zu machen, muss der Liberale eben diesem Amerika dezent aber unmissverständlich eine dezidierte Beschwerde überbringen: Das mit Opel, Leute, also das geht doch so nicht...

Es ist 22 Uhr am Mittwochabend, irgendwo über dem Atlantik, als sich auf dem Flug GAR 883 (GAR gleich German Air Force/Luftwaffe) in den hinteren Sitzreihen bei den Journalisten was tut. Das Essen, es gab unter anderem Vitello Tonato und später Hühnchen, ist gerade abgeräumt, da kommt fünf Stunden nach dem Start des Airbus 310 „Konrad Adenauer“ in Berlin-Tegel der Außenminister im legeren Pulli über dem Hemd aus seiner Suite, um ein paar offizielle, zitierfähige Sätze zu sagen. Und natürlich viele andere, über die den üblichen Regeln nach nicht geschrieben werden darf. Altgediente Beobachter der staatlichen Reisediplomatie raunen, dass einer der Vorgänger, Joschka Fischer, manchmal schon im Steigflug auftauchte. Fischer suchte und brauchte die Journalisten als Sparringspartner. Westerwelle will nicht boxen. Noch nicht.

Gebot der Höflichkeit

Ihm sei wichtig, sagt er und sucht seine ersten Worte sorgsam aus, dass er den Antrittsbesuch bei Amtskollegin Clinton erledigt, bevor diese am 9. November in Berlin die Mauerfallfeierlichkeiten beehrt. Das gebiete schon die Höflichkeit und sei Ausdruck der Tatsache, „welch große Bedeutung die Bundesregierung dem deutsch-amerikanischen Verhältnis zumisst“.

Eben dieses Verhältnis, das musste ausgerechnet die Kanzlerin erfahren, hat seine Untiefen. Als Angela Merkel im Kongress ihre bewegende Rede über sich, Deutsch-Deutsches und Amerika hielt, war, und in diese Richtung gehen alle Spekulationen an Bord, der Zug für Opel bereits endgültig abgefahren. Gesagt hat Präsident Obama es der Kanzlerin aber nicht. Wollte er sie schonen, war es ihm schnuppe? Was wird man heute wohl Guido Westerwelle sagen? Und, noch interessanter, was sagt Guido Westerwelle selbst?

Die Säuerniss der deutschen Seite überbringen

Nicht viel. Äußerungen aus seinem Umfeld sind so zu verstehen, dass die ersten Worte des FDP-Wirtschaftsministers Rainer Brüderle („völlig inakzeptabel“) im Grunde die Worte Westerwelles waren. Die Herren haben sich, das ist nicht abwegig, intensiv abgestimmt über das politische Handling einer ziemlichen Kalamität. In welcher Tonlage der neue Außenminister am Donnerstagmittag (19 Uhr plus x deutscher Zeit) Hillary Clinton die Säuernis der deutschen Seite überbringen wird, darauf will Westerwelle verständlicherweise nichts sagen. Später macht die Formulierung von der „energischen Freundlichkeit“ an Bord die Runde, mit der Westerwelle zu Werke gehen wolle. Ob das reicht, wenn daheim Zigtausende Opelaner wütend warnstreiken, weil GM mit dem Abbau einer fünfstelligen Zahl von Arbeitsplätzen droht?

Für den Außenminister und seine Partei ist der geplatzte Opel-Deal Segen und Fluch zugleich. Seit Monaten, da waren Westerwelle und Brüderle noch wahlkämpfende Opposition, argumentierten sie mit Mann und Maus gegen das milliardenschwere staatliche Stützungsprojekt für Opel. Jetzt, wo das Geschäft noch vor dem Start sozusagen wirtschaftlichen Totalschaden erlitten hat, müssen sie, muss vor allem Brüderle, die Scherben zusammenkehren. Dennoch, sagt einer aus dem Tross des Außenministers, „sich darüber zu freuen, dass wir Recht hatten", das funktioniere nicht; nicht als Regierungspartei. Und zumal der Außenminister vor Tagen ja angekündigt hat, in seinem Stammland NRW ab Januar 2010 aktiv Landtagswahlkampf zu bestreiten. Mit dem Ziel, alle Spötter zu übertrumpfen, die einer zweiten Auflage von Schwarz-Gelb an Rhein und Ruhr wenig Chancen geben. Das aber dürfte nur gelingen, wenn etwa dem Opel-Standort Bochum bis 9. Mai 2010 nichts zustößt. Was zu Ende gedacht bedeutet, dass die FDP gegen alle innere Überzeugung staatliche Hilfen für den angeschlagenen Autobauer mittragen müsste. Macht sie das? Ignoriert sie ihre ordnungspolitischen Leitlinien? Wahl ist Wahl. Vielleicht. „Wir gehen das pragmatisch an“, sagt man im liberalen Lager, „pragmatisch.“