Washington. Die Szene am Dienstsitz der US-Außenministerin fängt das Dilemma gut ein. 50 Journalisten haben lange vor dem State Departement gewartet, um nun dicht an dicht die erste Pressekonferenz von Guido Westerwelle und Hillary Clinton zu bezeugen. Aber es passiert nichts Bemerkenswertes.
Als Gastgeberin und Gast ihre Standpunkte von der wichtigen Zusammenarbeit, die unbedingt fortgesetzt, und der Herausforderung, die selbstverständlich gemeinsam bewältigt werden soll, verbreitet haben, entfährt es einer deutschen Fernsehfrau: „Phrasen, nichts als Phrasen von unserem Mann.”
"Phrasen, nichts als Phrasen"
Nun ja. Es fühlt und hört sich tatsächlich entschieden anders an, wenn Frau Clinton, lächelnd, von der deutsch-amerikanischen Freundschaft redet und von der Partnerschaft, die es zu vertiefen gelte, als wenn Guido Westerwelle das tut. Noch immer so stolz auf sich und das Erreichte wirkt dieser Bundesaußenminister in seiner ersten Woche, dass ihm nahezu jeder offizielle Satz zu einer ungelenken Demonstration verkrampfter Ergriffenheit gerät.
Das sehr plötzliche „Sorry” der Amerikaner für Merkels Brüskierung in Sachen GM/Opel ist so ein Moment. Mehrfach streuen die Getreuen des Außenministers am Donnerstagabend, dass Präsident Obama & Co. a) weder etwas davon wussten und b) die Bekanntgabe durch GM ausgerechnet an dem Tag der großen Merkel-Rede im Kongress verhindert hätten; vorausgesetzt, sie hätten es gewusst, was sie angeblich ja nicht taten.
Einüben des diplomatischen Singsangs
Als Oppositionsführer hätte Westerwelle das keiner Regierung der Welt abgekauft. Schon gar nicht einer, die General Motors quasi im Staatsbesitz hält. Aber auch das gehört zu den Häutungen des Guido W. Wenn früher teils messerscharfes, teils polemisches Bloßlegen sein rhetorisches Markenzeichen war, so ist es jetzt das mühsame Einüben des diplomatischen Singsangs, bei dem viel geredet, aber kaum was gesagt wird.
Dem Neuen, der binnen einer Woche in Brüssel, Warschau, Den Haag, Paris, wieder Brüssel, Luxemburg und Washington etwas überdreht, aber durchweg sympathisch seine Visitenkarten abgab und dabei nach Selbstbeobachtung allerorten „überaus freundlich und mit Neugier auf meine Person empfangen wurde”, kommt dieses Parlando noch wenig flüssig und unterhaltsam über die Lippen.
Er ist ein Kontrollfreak
Westerwelle ist ein Kontrollfreak und, vielleicht ein Relikt aus über einem Jahrzehnt Opposition, voller Misstrauen. Selbst wenn er auf den Flügen nach Den Haag, Paris oder Washington irgendwann in die Sitzreihen zu den Journalisten steigt, sind pointierte Einblicke Mangelware. Man darf aus diesen Gesprächen nichts zitieren. Aber es grenzt nicht an Geheimnisverrat, zu behaupten, dass es eigentlich auch so recht nichts zu zitieren gegeben hätte.
Was Westerwelle zu den Problemen der Welt sagt, ist entweder bekannt oder hinreichend unbestimmt. Altgediente Beobachter erinnern sich, dass einer der Vorgänger, Joschka Fischer, Journalisten als Sparringspartner geradezu suchte, um sie für den kleinen Ego-Hunger zwischendurch mit Wonne und rhetorischer Überwältigung auf die Matte zu bringen. Westerwelle will nicht boxen. Er bietet noch zu viel Trefferfläche.
Anspruch auf Schonzeit
Als er in Washington betont, die Geduld der internationalen Gemeinschaft, was den Möchtegern-Nuklear-Staat Iran angeht, sei „nicht endlos”, klingt das wie aufgesagt. Und er kann die absehbare Nachfrage, wann „endlich” sei und was danach komme, nur mit Ausflüchten beantworten. Inflationär häufig taucht in seinen Erklärungsmustern das Wort „gemeinsam” auf. Etwa bei der immer noch nicht erkennbaren Strategie, mit der die Amerikaner und ihre Bündnispartner, also auch Deutschland, demnächst „sehr gemeinschaftlich” in der afghanischen Misere zu Werke gehen wollen.
Was er selber dazu denkt, ob er womöglich eine interessante Ideenskizze besitzt? Man weiß es nicht. Noch hat der neue Außenminister Anspruch auf Schonzeit. Bald schon wird man mehr von ihm erwarten.