Berlin. Sigmar Gabriel könnte der neue Hoffnungsträger der SPD werden. Er wird als heißer Kandidat für die Nachfolge vom Parteivorsitzenden Franz Müntefering gehandelt. Damit würde er aber auch automatisch zur Schlüsselposition für die SPD-Kanzlerkandidatur 2013 aufsteigen.
Vor einigen Jahren wurde er schon politisch totgesagt, jetzt könnte Sigmar Gabriel der neue Hoffnungsträger der SPD werden. Nach dem zögernden Abschied Franz Münteferings vom Parteivorsitz scheint er derjenige zu sein, der auf dem Parteitag im November in Dresden als sein Nachfolger gewählt werden soll. Damit wäre der «Harzer Roller», wie der schwergewichtige SPD-Politiker halb spöttisch, halb respektvoll genannt wird, in einer Schlüsselposition auch für die SPD-Kanzlerkandidatur 2013.
Er hat im In- und Ausland an Profil gewonnen
Sein Amt als Umweltminister hat der frühere niedersächsische Ministerpräsident genutzt, um im In- und Ausland an Profil zu gewinnen. Auf der wichtigen UN-Klimakonferenz 2007 auf Bali war er einer derjenigen, die die Verhandlungen maßgeblich und damals noch gegen den Widerstand der US-Regierung unter George W. Bush voranbrachten. «Der tritt ja wie ein Kanzler auf», zeigten sich deutsche Wirtschaftsvertreter 2008 bei einer Reise Gabriels nach Peking erstaunt.
Im Inland wurde Gabriel zwar sein Engagement beispielsweise für neue Kohlekraftwerke oder gegen zu strenge Emissionsauflagen für die Automobilindustrie vorgehalten. Auch die stets kritischen Umweltverbände erkannten jedoch an, dass sich der SPD-Mann nach seinem Amtsantritt 2005 schnell und effektiv in sein neues Ressort eingearbeitet und danach umweltpolitisch ziemlich viel bewegt hat. Das Scheitern des angestrebten Umweltgesetzbuchs an der CDU/CSU wurde nicht ihm angelastet.
Im Bundestagswahlkampf war Gabriel im «Team Steinmeier» das Mitglied, dem es wohl am besten gelang, die SPD beim Thema Atom zumindest zwischendurch immer wieder in die Offensive zu bringen. Er hatte sich bereits in den 80er Jahren für einen Ausstieg eingesetzt, als dies in der SPD noch nicht mehrheitsfähig war. Auch politische Gegner äußern sich zwar verärgert, aber mit Respekt über seine «Kampagnenfähigkeit» - eine Qualität, die bei dem neuen SPD-Chef dringend gefragt sein dürfte.
Zuvor war Gabriels Karriere keineswegs immer geradlinig verlaufen. Geboren am 12. September 1959 in Goslar studierte er im nahen Göttingen Deutsch, Politik und Soziologie. 1977 trat er der SPD bei. 1987 wurde er in Goslar in den Kreistag gewählt, 1990 dann in den niedersächsischen Landtag, wo er 1998 Fraktionschef wurde. Als Ministerpräsident Gerhard Glogowski Ende 1999 wegen einer Reiseaffäre zurücktreten musste, übernahm Gabriel für gut drei Jahre das Amt - bis die Niedersachsen-SPD bei der Wahl 2003 in den Abwärtssog der Bundespartei geriet und von Christian Wulffs CDU geschlagen wurde.
Gabriel wurde Oppositionschef im Landtag und geriet bundespolitisch damit zunächst ins Abseits. Zusätzlich belastet wurde seine Karriere durch das Bekanntwerden eines Beratervertrages beim Volkswagen-Konzern, den ihm ausgerechnet der damalige Personalvorstand Peter Hartz vermittelt hatte. Gabriel gestand eigene Fehler ein, schaffte 2005 den Sprung in den Bundestag - und fand sich am Kabinettstisch der großen Koalition wieder.
Sigmar Gabriel gilt als Pragmatiker
In der Fraktion schloss sich Gabriel dem reformorientieren «Netzwerk» an. Doch auch der Seeheimer Kreis der Parteirechten führt ihn auf seiner Liste. Der 50-Jährige gilt als Pragmatiker. Kritiker warfen ihm aber auch Arroganz und gelegentlich das Fehlen einer klaren Linie vor. Eine feste Hausmacht in seiner Partei hat Gabriel nicht, weswegen er regelmäßig bei innerparteilichen Wahlen zittern muss. So scheiterte Gabriel 2007 mit dem Versuch, sich ins Parteipräsidium wählen zu lassen, am Widerstand der Parteilinken, aber auch an mangelnder Unterstützung der Parteirechten.
Jetzt könnte Gabriel genau der Umstand, dass ihn weder Parteilinke noch -rechte als einen der ihren ansehen, nützlich sein. Mit ihm als SPD-Chef, Frank-Walter Steinmeier als Fraktionschef und der Parteilinken Andrea Nahles als Generalsekretärin hätte die SPD ein Spitzenteam, in dem sich alle Flügel wiederfinden könnten. (afp)