Berlin.. Das New Yorker Urteil kratzt an Trumps Image. Doch die US-Rechtsprechung hält absurde Optionen bereit, sagt US-Experte van de Laar.
Herr van de Laar, das ist ein Donnerschlag, den wir da gerade aus den USA hören…
Julius van de Laar: Die wenigsten dürften damit gerechnet haben, dass Trump in allen 34 Anklagepunkten schuldig gesprochen wird. Nun kann man sicher zehn Gründe finden, warum das Urteil Joe Biden helfen könnte – ebenso kann man Gründe finden, warum es Trump helfen wird. „Donald Trump, verurteilter Verbrecher“ – mobilisiert diese Zuschreibung seine Wählerschaft noch mehr als zuvor? Oder profitiert Joe Biden, weil vielleicht sechs Prozent der Republikaner und 20 Prozent der Parteilosen sagen: Donald Trump, das war der eine Tropfen zu viel in unserem Fass. Allerdings sagen laut einer Umfrage drei von vier unabhängigen Wählern, das Urteil mache für sie überhaupt keinen Unterschied. Elf Prozent von den Unabhängigen sagen, der Schuldspruch mache es unwahrscheinlicher, dass sie für Trump stimmen – 15 Prozent jedoch gaben an, es sei nun noch wahrscheinlicher, dass sie sich für den Republikaner entscheiden.
Zur Person
Julius van de Laar ist ein international tätiger Politikstratege und Kommunikationsberater. Er lebte 7 Jahre in den USA. Nach dem Studium der Politik- und Kommunikationswissenschaften an der Furman University in den USA arbeitete er in den US-Präsidentschaftswahlkämpfen 2008 und 2012 als hauptamtlicher Wahlkämpfer für Barack Obama.
Die meisten seiner Hardcore-Anhänger wollen ihm die Treue halten…
Ja, 25 Prozent seiner Unterstützer sagen, es sei nun noch wahrscheinlicher, dass sie ihn wählen. Zehn Prozent geben an, dass sie es vielleicht doch nicht mehr tun. Wir stehen fünf Monate vor der Wahl – bis dahin wird sich noch vieles ändern.
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Trump bezeichnet sich selbst als „politischen Gefangenen“. Wie groß ist Ihre Sorge vor einer Eskalation der Gewalt durch Trumps Anhänger?
Es gab einen bemerkenswerten Post auf X, in dem der republikanische Gouverneur Larry Hogan schrieb: „Ich rufe alle Amerikanerinnen und Amerikaner auf, den Urteilsspruch und den Rechtsweg zu respektieren, unabhängig vom Ergebnis.“ Es handele sich um einen gefährlichen Moment in der Geschichte des Landes und man dürfe nun kein weiteres Öl ins Feuer gießen. Kurz darauf meldete sich Trumps Kampagnenmanager und beschied Hogan: „Deine politische Karriere ist vorbei“ – weil Hogan Trump eben nicht uneingeschränkt unterstützt hat. Das spricht Bände! Die Trump-Kampagne nutzt den Moment für sich. E-Mails mit Spendenaufrufen werden rausgeschickt, es wird immer stärker polarisiert.
Die Trump-Kampagne verweist auch darauf, dass dieser Prozess schon vor Jahren hätte geführt werden können…
Ja, und damit haben sie wirklich einen Punkt. Im Herbst 2016 ist die Schweigegeld-Zahlung erfolgt, warum wartet Staatsanwalt Alvin Bragg bis 2024? Natürlich riecht das — zumindest in der öffentlichen Wahrnehmung — nach politischer Motivation, auch wenn es keine Verbindung zu Joe Biden gibt. Dass es so lange gedauert hat, die Fakten zusammenzutragen und Anklage zu erheben, kann man Biden nicht um den Hals hängen. Trump tut es natürlich trotzdem.
Wendet sich Trumps Familie allmählich von ihm ab? Immerhin war am letzten Prozesstag nur Trumps Sohn Eric mit im Gerichtssaal.
Melania ist zuletzt auf der Spendengala in Mar-a-Lago aufgetreten und hält sich ansonsten sehr zurück. Ivanka und ihr Mann Jared haben sich tatsächlich komplett rausgezogen. Und das, obwohl die beiden in Trumps Amtszeit hochrangige Beraterposten in der Regierung innehatten. Ivanka hat möglicherweise gemerkt, wie sehr sie in ihrem Umfeld für ihren Draht zu ihrem Vater geächtet wird. Deshalb hat sie sich wohl darauf verlegt, ihre Unterstützung für ihn nur noch leise und im Privaten kundzutun. Es ist zwar nur eine Spekulation, aber für eine Frau, die im liberalen New York aufgewachsen ist und in Elite-Kreisen verkehrt, könnte es schon unangenehm sein, überall mit „MAGA“-Slogans konfrontiert zu sein.
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Wie geht es für Trump weiter?
Mike Johnson, der Sprecher des US-Repräsentantenhauses sprach vom „beschämendsten Tag der US-Geschichte“. Da wird jetzt sehr zugespitzt. Die Trump-Kampagne hat sofort Nachrichten an sämtliche republikanische Kandidaten geschickt und davor gewarnt, mit diesem Ereignis Geld für sich selbst einzuwerben. Andernfalls könnten sie ihre Karriere in der Partei vergessen. Das heißt: Trumps Leute wollen mit dem Prozess mobilisieren und Spendengelder eintreiben — die sie dringend brauchen. Am 11. Juli wird das Strafmaß verkündet – vier Tage vor dem republikanischen Parteitag. Sollte Richter Juan Merchan Trump zu einer Haftstrafe verurteilen, würde Trump sofort in Berufung gehen. In der Folge würde es vor ein Gericht in New York gehen, dann vor das Oberste Gericht des Staates New York und letztlich vor den bundesweiten Supreme Court. Das kann Jahre dauern. Obwohl Trump also eine Gefängnisstrafe bekommen könnte, kann ihn erstmal nichts davon abhalten zu kandidieren und möglicherweise sogar Präsident zu werden.
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Darf Trump als verurteilter Straftäter selbst wählen gehen?
Das hängt in den USA von den Vorgaben in den einzelnen Bundesstaaten ab. Für Trump gilt: Er ist in Florida gemeldet und in New York verurteilt worden. Rechtlich kann er so lange wählen, wie er auf freiem Fuß ist – erst wenn er im Gefängnis sitzen sollte, darf er sein Kreuzchen nicht mehr machen. In manchen Bundesstaaten reicht es aus, verurteilter Straftäter zu sein, um nicht mehr wählen zu dürfen. In Florida dürfte er es aber. Es ist schon verrückt: Du darfst in manchen Bundesstaaten nicht für einen Verbrecher stimmen – aber der verurteilte Verbrecher darf sich für das Amt des Präsidenten aufstellen lassen. Ein bemerkenswerter Aspekt der amerikanischen Rechtsprechung.
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