Washington/New York. Während der Kronzeuge gesteht, ein Dieb zu sein, ist weiter unklar, ob der Ex-Präsident aussagt. Zwischenzeitlich eskaliert der Prozess
Der Prozess gegen den ehemaligen US-Präsidenten Donald Trump ist ein historischer, der Vorwurf angeblicher Vertuschung von Schweigegeldzahlungen an eine Pornodarstellerin könnten kaum pikanter sein. Nach mehr als einem Monat mit spektakulären Anschuldigungen und detaillierten Beschreibungen von Trumps Sexleben geriet die Verhandlung am Montag kurzzeitig aus den Fugen: Richter Juan Merchan ließ den Saal 1530 des Gerichts in Downtown Manhattan vorübergehend räumen - weil er sich von einem Trump-nahen Entlastungszeugen respektlos behandelt fühlte.
Dabei lief es an diesem Tag eigentlich nicht schlecht für Trumps Team: Bevor es in genau einer Woche mit den Schluss-Plädoyers ernst wird im Schweigegeld-Prozess um Donald Trump und den Porno-Star Stormy Daniels konnte Todd Blanche einen weiteren Achtungserfolg verbuchen.
Der leitende Anwalt des amerikanischen Ex-Präsidenten brachte den Kronzeugen Michael Cohen am Montag im Gericht in New York dazu, vor den Geschworenen einzugestehen, dass er ein Langfinger ist. Cohen räumte ein, sein früheres Idol, dem er heute eine Gefängnisstrafe an den Hals wünscht, betrogen zu haben.
Cohen beauftragte vor einigen Jahren ein Meinungsforschungsinstitut mit einer für Trump vorteilhaften Befragung. Er kassierte dafür 100 000 Dollar, bezahlte den Leuten der Firma ReDfinch aber nur 20 000 Dollar- den Rest behielt er für sich. „Sie haben also den Trump-Konzern beklaut?”, fragte Blanche im Laufe des Kreuzverhörs. Worauf der 57-jährige ehemalige Privatanwalt Trumps, der das entscheidende Bindeglied zwischen Trump und Stormy Daniels war, entgegnete: „Yes, Sir.”
„Sie haben also den Trump-Konzern beklaut?” – „Yes, Sir“
Cohen rechtfertigte den Betrug mit dem Argument der „Selbst-Hilfe“. Er, Cohen, habe dem Porno-Star Daniels 2016 zunächst aus eigener Tasche, aber in Absprache mit Trump rund 130 000 US-Dollar zukommen lassen, damit sie kurz vor der damaligen Präsidentschaftswahl über ein sexuelles Kurz-Abenteuer mit Trump im Jahr 2006 den Mund hält.
Nicht nur habe Trump bei der Rückzahlung gezögert, so der Kronzeuge. Auch Cohens jährlicher Bonus für seine Arbeit als juristischer Allzweck-Problembeseitiger Trumps sei gekürzt worden.
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Ob das Bemühen von Verteidiger Blanche aufgeht, die Glaubwürdigkeit Cohen restlos zu erschüttern, auf dass die Jury seinen Mandanten freispricht vom Vorwurf des Steuerbetrugs und des Verstoßes gegen Wahlkampffinanz-Gesetze des Bundesstaates New York, wird man voraussichtlich erst Ende der nächsten Woche sehen.
Für Dienstag, 28. Mai, hat Richter Juan Merchan die abschließenden Statements der Anklage und der Verteidigung angesetzt.
Im Anschluss bekommen die Geschworenen von Merchan präzise Instruktionen, welche Fragen sie bei einer Schuldzumessung einstimmig zu berücksichtigen haben. Danach ziehen sich die handverlesenen Laien zu internen Beratungen zurück, die mehrere Tage dauern können. Bis Monatsende, so Rechtsberater in New York, „werden wir aller Voraussicht nach ein Urteil haben“.
Urteil liegt voraussichtlich bis Monatsende vor
Anders als Trump, der in einem Bettelbrief an seine Anhänger davon schwadronierte, er könnte lebenslänglich eingesperrt werden, drohen dem 77-Jährigen im schlimmsten Fall vier Jahre Haft. Wobei sich das Gros der Rechtsgelehrten einigermaßen einig ist: Sollte Trump schuldig gesprochen werden, dürfte eine im Hausarrest abzusitzende Strafe deutlich kürzerer Dauer herauskommen. Sie könnte aber zur Bewährung ausgesetzt werden, da Trump nicht vorbestraft ist - oder in eine Geldstrafe umgewandelt werden.
Todd Blanche setzt seinen Kurs fort und bearbeitete Cohen mit der rhetorischen Abrissbirne. Er warf ihm vor, vor allem aus Geldgier gegen seinen früheren Boss ausgepackt zu haben. Noch heute verdiene Cohen, der zwischenzeitlich einige Monate im Zusammenhang mit der Schweigegeld-Affäre hinter Gittern saß, durch Podcasts und Bücher an Trump. Was Cohen im Prinzip nicht bestritt.
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Blanche hatte zudem versucht, Cohen in einer Schlüsselszene als abgefeimten Lügner darzustellen. Dabei ging es um ein Telefonat am 24. Oktober 2016. Darin will Cohen Trump persönlich signalisiert haben, dass von der Causa Daniels für die wenige Tage später anberaumte Präsidentschaftswahl keine Gefahr mehr ausgehe. Blanche aber behauptet, Cohen habe nicht mit Trump, sondern nur mit dessen Leibwächter Keith Schiller kommuniziert – und inhaltlich über ganz andere Sachen gesprochen; also gelogen. Die Anklage wollte am Montag Fotos in die Beweisaufnahme einführen, die Trump und Schiller gemeinsam zeigen. Sie sollen belegen, dass Cohen an jenem Abend sehr wohl mit Trump geredet haben kann. „Ich denke, das ist wichtig“, sagte Richter Merchan unmittelbar vor der Mittagspause.
Eklat: Richter lässt Saal räumen
Danach wurde es kurzzeitig turbulent. Die Verteidigung rief den Zeugen Robert Costello auf, der früher Cohen beraten hatte. Costello ließ kein gutes Haar am Kronzeugen, bezeichnete ihn als Lügner. Als der Richter etliche Fragen der Trump-Anwälte an Costello verwarf, verdrehte der die Augen und äußerte sich abfällig. Richter Merchan wurde daraufhin deutlich: „Ich möchte in meinem Gerichtssaal über den richtigen Anstand sprechen.“ Er verbitte sich Kommentare zu seinen Entscheidungen. „Sie geben mir keinen Seitenblick und verdrehen nicht die Augen“, diktierte Merchan, der den Ruf hat, sich nichts gefallen zu lassen. Als Costello den Richter dann fortwährend finster und mit rotem Gesicht anschaute, platzte es aus Merchan hörbar verärgert heraus: „Starren Sie mich nieder?“ Er ließ daraufhin den Saal räumen - und stauchte Costello wohl unmissverständlich zusammen. Journalistinnen und Journalisten durften den Saal nach einigen Minuten wieder betreten, die Befragung wurde fortgesetzt.
US-Medien sprachen vom „verrücktesten Moment“ des Prozesses. Eine Szene mit Seltenheitswert.
Die Gretchenfrage des Prozesses bleibt einstweilen weiter offen: Tritt Trump, wie von ihm angekündigt, selbst in den Zeugenstand – oder folgt er dem Rat seiner Anwälte und verzichtet darauf, sich durch potenzielle Meineide in Gefahr zu bringen. Etwa bei der Schlüsselfrage: Hatten Sie nun Sex mit Stormy Daniels – oder nicht?
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