Düsseldorf. Die Rebellin Sahra Wagenknecht kann sich in NRW auf treue Gefolgsleute für ihre Parteigründung verlassen. Wer die Mitstreiter sind.

Hat der neue Verein „Bündnis Sahra Wagenknecht“ (BSW) in NRW Aussicht auf Erfolg? Sicher ist: Das bevölkerungsreichste Bundesland ist ein „Schlüssel-Land“ für die noch zu gründende Partei. Der NRW-Bezug ist von Beginn an da: Frontfrau Wagenknecht hat ihren Wahlkreis bisher in Düsseldorf, obwohl sie im Saarland wohnt, und einige ihrer wichtigsten Gefolgsleute kommen aus NRW.

„Bündnis Sahra Wagenknecht“: So tickt Christian Leye als treuester Unterstützer

Der 42-Jährige Duisburger mit Wurzeln in Bochum zählt zu den treuesten Unterstützern von Sahra Wagenknecht. Zwischen 2014 und 2021 war er Mitarbeiter in ihrem Wahlkreisbüro in Düsseldorf. Christian Leye führte zwischen 2016 und 2021 die Linke in NRW und ist seit 2021 Bundestagsabgeordneter. Er hat Politik und Wirtschaft studiert

Christian Leye will Sahra Wagenknecht bei der Parteigründung helfen: „Wir kommen, um zu bleiben“, sagt der Bundestagsabgeordnete.
Christian Leye will Sahra Wagenknecht bei der Parteigründung helfen: „Wir kommen, um zu bleiben“, sagt der Bundestagsabgeordnete. © FUNKE Foto Services | STEFAN AREND

Dass Leye einer der tragenden Säulen der Wagenknecht-Partei werden soll, war am Montag in Berlin zu sehen: Er gehörte zum kleinen Kreis der Auserwählten, die das „BSW“-Projekt in der Bundespressekonferenz vorstellten. Überschäumendes Temperament ist Leye fremd, manche werfen ihm vor, er komme zu hölzern daher. Dafür punktet er mit Entschlossenheit und ist gegenüber Wagenknecht bedingungslos loyal. Er wolle eine „Partei aufbauen, die den Rücken gerade macht“, sagte er in Berlin. Die kommenden Monate dürften die stressigsten in seinem Leben werden. Sarah Wagenknechts rhetorische Qualitäten sind unbestritten, Organisatorisches liege ihr aber nicht, heißt es. Unterstützer wie Leye stehen nun in der Pflicht, dieses Defizit wettzumachen.

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Der Austritt aus der Linkspartei und der Neustart als stellvertretender „BSW“-Vorsitzender seien das Ergebnis eines „langen Entfremdungsprozesses“, sagte er dieser Redaktion. Die Linke habe ihren Markenkern preisgegeben: „In Europa tobt ein Krieg, und die Menschen leiden unter Inflation und Energiekrise. Kernthemen der Linken waren mal Frieden und soziale Gerechtigkeit, und gemessen daran müsste diese Partei jetzt eigentlich zweistellige Wahlergebnisse erzielen. Stattdessen wird die Linke immer bedeutungsloser.“

BSW: Duisburgerin Sevim Dagdelen wurde mit Parteiausschuss gedroht

Leye ist ein Neuling im Bundestag, Sevim Dagdelen eine „Altgediente“. Seit fast 20 Jahren gehört die in Duisburg geborene Politikerin, deren Wahlkreis in Bochum liegt und die in Berlin wohnt, dem Bundestag an. Zwischenzeitlich war sie mit der Unterstützung von Sahra Wagenknecht Fraktionsvize der Linken. Der Neustart im „BSW“-Verein überrascht niemanden. Vor wenigen Wochen ritt die 48-Jährige, die aus einer Familie mit kurdisch-alevitischen Wurzeln stammt, eine heftige Attacke gegen die Parteiführung der Linken: Die mache Politik „für eine schrumpfende Gruppe von Sektenanhängern“.

Bündnis Sahra Wagenknecht: Sevim Dagdelen liegt schon seit Monaten mit der Linken-Parteiführung über Kreuz. Sahra Wagenknecht kann sich voll auf sie verlassen.
Bündnis Sahra Wagenknecht: Sevim Dagdelen liegt schon seit Monaten mit der Linken-Parteiführung über Kreuz. Sahra Wagenknecht kann sich voll auf sie verlassen. © dpa | Michael Kappeler

Die Linke sei nicht mehr die Partei, in die sie einst eingetreten sei, erklärte Dagdelen am Montag in einer Mitteilung. Die Parteispitze umwerbe vor allem „enttäuschte Grünen-Wähler“ und sei auf dem Weg in die Bedeutungslosigkeit.

Im Frühjahr drohte die Linke Dagdelen mit Parteiausschluss, weil die Wagenknecht-Vertraute längere Zeit keine „Mandatsträger-Abgabe“ an ihre Partei überwiesen hatte. Die Abgeordnete zahlte nach, sprach von einem „Versehen“ und nutzte die Aufmerksamkeit für einen Nadelstich gegen Parteichefin Janine Wissler: Die nachgezahlten Beiträge würden wohl nicht von der Linken für eine „konsequente Friedenspolitik“ eingesetzt. In Bochumer Linken-Kreisverband ist Dagdelen schon lange umstritten.

Linke in NRW: Lukas Schön war zwei Jahre lang Landesgeschäftsführer

Der 39-Jährige war bis Herbst 2022 zwei Jahre lang Landesgeschäftsführer der Linken in NRW, hat Wagenknechts Bundestagswahl-Kampagne unterstützt und muss sich nun als „BSW“-Geschäftsführer zusammen mit Christian Leye als Organisator hervortun, der einen Verein mit wenigen Mitgliedern und überschaubarer Finanzkraft in eine schlagkräftige Partei verwandeln kann.

Lukas Schön hat schon Sahra Wagenknechts Bundestagswahl-Kampagne unterstützt. Kann er auch eine Partei-Neugründung organisieren?
Lukas Schön hat schon Sahra Wagenknechts Bundestagswahl-Kampagne unterstützt. Kann er auch eine Partei-Neugründung organisieren? © FUNKE Foto Services | Reto Klar

Mit dem Linken-Bundesvorstand war der Politikwissenschaftler schon über Kreuz, als er noch die Geschäfte der NRW-Linken führte. Der Parteispitze warf er vor, sich nur noch um „identitätspolitische Orchideenthemen“ zu kümmern. Sein Auftritt in der Bundespressekonferenz wurde von Vorwürfen überschattet, Schön habe in seinen letzten Tagen als Landesgeschäftsführer die Daten von fast 8000 Linken-Mitgliedern in NRW kopiert. Laut „Stern“ hat der Linken-Landesverband Strafanzeige gegen den Bonner erstattet. Schön weist die Vorwürfe zurück.

„Bündnis Sahra Wagenknecht“: Andrej Hunko unterstützt den neuen Verein

Der Bundestagsabgeordnete aus Aachen (60) zog am Montag nach fast 20 Jahren einen Schlussstrich unter seine Laufbahn in der Linken und ihren Vorgänger-Parteien. Er kritisiert wie die anderen Abtrünnigen deren „Scheitern“, insbesondere in der Friedens- und Sozialpolitik. Die Parteiführung und Teile der Linken in Aachen nehmen Hunko übel, dass er als Redner bei Demos gegen die Corona-Maßnahmen in Erscheinung trat.

NRW-Linke: Was die Vorsitzenden zum neuen Verein sagen

„Rücksichtslos“ sei die Abspaltung der Wagenknecht-Anhänger, sagen die Vorsitzenden der NRW-Linken, Kathrin Vogler und Sascha H. Wagner. „Wer die Linke aus egoistischen Motiven schwächt, wird bald feststellen, dass Personenkult und fragwürdige Motive keine Basis für den dauerhaften Erfolg einer Partei sind“, so die Parteichefs.

In einem Beschluss der Parteiführung heißt es: „Es ist enttäuschend, dass sich neben Sahra Wagenknecht unser ehemaliger Landessprecher Christian Leye und unser ehemaliger Landesgeschäftsführer Lukas Schön an vorderster Front an diesem destruktiven Projekt beteiligen.“

Der Fraktionschef der Linken im Ruhrparlament, Wolfgang Freye, wirft den Wagenknecht-Gefolgsleuten unsolidarisches Verhalten vor. Die Abspaltung bedrohe die Existenz der Linken, biete aber auch eine Chance: „Die Hängepartie ist zu Ende.“

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