Berlin. Die Tragödie der Ukraine ist, dass sie nicht rechtzeitig Nato-Mitglied wurde. Das Bündnis ist seit 75 Jahren eine Sicherheitsgarantie.
Wenn es um die Nato geht, ist Russlands Präsident Wladimir Putin leicht reizbar. Der Ukraine-Krieg ist eine Botschaft an das westliche Bündnis: bis hierhin, nicht weiter. Wäre die Ukraine in der Nato, wäre das Bündnis nur noch 500 Kilometer vom Raum Moskau entfernt. Leidet er unter politischem Verfolgungswahn? Warum fühlt er sich bedroht? Überhaupt: Was ist die Nato?
Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde das politisch-militärische Bündnis am 4. April 1949 gegründet. Sein wichtigstes Prinzip: der "Bündnisfall". Im 75. Jahr steht die Allianz vor zwei großen Herausforderungen. Zum einen ist Putin mit seinem Krieg zum Totengräber der Nachkriegsordnung geworden. Danach wird Europa sicherheitspolitisch anders dastehen. Zum anderen sorgen sich viele um die Ankermacht, um die USA. Würde ein Präsident Donald Trump noch zum System der kollektiven Sicherheit stehen?
Was ist die Nato? Eine Sicherheitsgarantie
Ein Angriff auf ein Mitglied wird als Attacke auf alle Nato-Staaten gewertet und beantwortet. Die Partner leisten dem Angegriffenen Beistand. Für ein Mitglied ist die Nato wie eine Lebensversicherung.
Putin hat die Invasion der Ukraine gestartet, auch weil er befürchten musste, dass sein westlicher Nachbar der Nato beitreten würde. Danach müsste er es mit dem gesamten Bündnis aufnehmen und würde sich übernehmen. Umgekehrt liegt die Tragik der Ukraine darin, dass sie nicht rechtzeitig Nato-Mitglied werden konnte.
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Stoltenberg führt die Nato, die USA dominieren sie
Nato steht für "North Atlantic Treaty Organization", auf Deutsch: "Nordatlantikpakt". Ihr Generalsekretär ist Jens Stoltenberg, ein ehemaliger norwegischer Regierungschef. Er ist seit 2014 im Amt. Noch 2024 scheidet er aus.
An der militärischen Spitze der Nato steht immer ein US-Soldat. Die USA üben bislang eine absolute Dominanz aus, politisch, noch mehr militärisch. Sie sind auch die führende Atommacht im Bündnis.
Ein Blick auf die Verteidigungsausgaben genügt: 2024 gaben die USA rund 886 Milliarden Dollar aus. Das sind mehr als drei Prozent ihrer Wirtschaftsleistung und mehr als alle anderen Nato-Partner zusammen.
Die Nato wuchs – Putins Groll auch
Die Nato machte sich breit. Die Türkei kam 1952, die Bundesrepublik 1955, Spanien erst 1982. Mit der Osterweiterung trat dann ein Rutschbahneffekt ein.
Zu den zwölf Gründungsmitgliedern gehörten die Kriegsgewinner Großbritannien und Frankreich, dazu die USA und Kanada sowie einige europäische Staaten mit einer geografisch offensichtlich atlantischen Ausrichtung, so etwa Portugal und Norwegen.
Die Nato ist eine Folge des Kalten Kriegs
Die westlichen Staaten fühlten sich von der kommunistischen Sowjetunion bedroht. Die Nato ist eine Folge des Kalten Kriegs, ein Abbild der bipolaren Weltordnung: Hier die westlichen Staaten um die USA, dort die militärische Allianz des Warschauer Pakts mit der Sowjetunion als Führungsmacht. Das ist die Welt, in der Putin politisch sozialisiert wurde.
Nach dem Zerfall der Sowjetunion 1991 löste sich der "Warschauer Pakt" auf, nicht jedoch die Nato. Für Putin war das eine Tragödie. Umso mehr, als viele der alten Verbündeten in der Folgezeit der Nato beitraten.
Die Osterweiterung begann mit dem Nato-Gipfel 1997 in Madrid, als Staaten wie Polen, Tschechien und Ungarn dazukamen. Weitere sollten bald folgen, Bulgarien etwa oder die baltischen Staaten, zuletzt Finnland und Schweden.
Das sind die Nato-Mitglieder
Heute hat die Nato 32 Mitglieder:
- Albanien
- Belgien
- Bulgarien
- Dänemark
- Deutschland
- Estland
- Finnland
- Frankreich
- Griechenland
- Island
- Italien
- Kanada
- Kroatien
- Lettland
- Litauen
- Luxemburg
- Montenegro
- Niederlande
- Nordmazedonien
- Norwegen
- Polen
- Portugal
- Rumänien
- Schweden
- Slowakei
- Slowenien
- Spanien
- Tschechische Republik
- Türkei
- Ungarn
- USA
- Vereinigtes Königreich
Es ist nie gelungen, echtes Vertrauen zwischen der Nato und Russland zu schaffen, obwohl es sogar einen gemeinsamen Rat gibt. Von Moskau aus betrachtet, ist die Nato ein Militärbündnis, das immer näher an die russischen Grenze rückt.
Das Ende der Rutschbahn markiert ein weiterer Nato-Gipfel. 2008 in Bukarest sagte das Bündnis Georgien und der Ukraine eine Mitgliedschaft zu - allerdings ohne einen Zeitrahmen zu nennen.
Eine Zumutung für Putin
Vor allem Deutschland und Frankreich hatten darauf gedrängt, auf ein Datum zu verzichten. Sie wussten, was sie Putin zumuteten. Noch im selben Jahr kam es zum Georgien-Krieg. Sechs Jahre später wurde die Krim überfallen und besetzt.
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"Eine weitere Nato-Osterweiterung ist nicht zu akzeptieren. Was ist daran nicht zu verstehen?“, fragte Putin auf einer Pressekonferenz noch Ende 2021, "wir wollen unsere Sicherheit festigen.“
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Zu dem Zeitpunkt drängte die Ukraine auf die Einlösung des Nato-Versprechens von 2008. Derweil bereitete Putin den Krieg vor und ließ Truppen an die Grenze verlegen.
Nato: Erst "Hirntot", nun hellwach
Zuletzt schwächelte die Nato. Die Amerikaner orientierten sich mehr Richtung Pazifik, und noch vor wenigen Jahren bezeichnete der damalige US-Präsident Donald Trump das Bündnis als "obsolet". Die USA neigen zu Alleingängen, Frankreichs Premier Emmanuel Macron sprach 2019 im Interview mit dem britischen „Economist“ vom „Hirntod der Nato“.
Jetzt ist sie wieder hellwach: einig und mehr denn je bereit, Geld für Waffen auszugeben. Deutschland will zwei Prozent der Wirtschaftsleistung für die Verteidigung ausgeben, so wie von der Nato gewünscht. Putins Einmarsch hat überdies bewirkt, dass die bis dahin neutralen skandinavischen Staaten Finnland und Norwegen dem Bündnis beitraten, zweifellos eine Stärkung der Nordflanke. Welche eine Ironie: Putin hat die Nato vitalisiert.
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