Berlin. In der Wirtschaftskrise sinkt der Stellenwert der Menschenrechte. Wo Armut steigt und soziale Konflikte sich verschärfen, nimmt staatliche Unterdrückung zu. Der Amnesty-Jahresbericht stellt fest, dass in mehr als der Hälfte von 157 beobachteten Staaten gegen Menschenrechte verstoßen wird.
"Wir sitzen auf einem Pulverfass von Ungleichheit, Ungerechtigkeit und Unsicherheit, das jeden Augenblick explodieren kann", sagte Generalsekretärin Irene Khan bei der Vorstellung des Amnesty-Jahresberichts in Berlin.
Ein Beispiel: Im nordafrikanischen Staat Tunesien reagierten die staatlichen Stellen bereits heute mit unangemessener Härte auf friedliche Demonstrationen. Es bestehe die Gefahr, dass künftig noch mehr Afrikaner als bisher die Flucht nach Europa unternehmen werden.
Auch in EU-Ländern wird gefoltert
In ihrem Bericht stellt Amnesty fest, dass in mehr als der Hälfte von 157 beobachteten Staaten gegen Menschenrechte verstoßen wird. Bemerkenswert: Auch innerhalb der Europäischen Union, so Khan, werde noch in zwölf Staaten von Behörden gefoltert und misshandelt.
Auch Deutschland kommt im Jahresbericht 2009 nicht ungeschoren davon. Zum einen schiebe die Bundesrepublik in Länder ab, in denen Folter und Verfolgung drohen. Zudem nutzten deutsche Stellen in Kampf gegen den internationalen Terrorismus Erkenntnisse, die letztlich mit Hilfe von Folter gewonnen worden seien.
"Unwürdiges Tauziehen" um Guantanamo-Häftlinge
In diesem Zusammenhang forderte der Chef des Brüsseler Büros von Amnesty, Nicolas Beger, die Bundesregierung auf, unschuldige Terrorverdächtige aus dem US-Gefangenenlager Guantánamo auf Kuba aufzunehmen. Berger: "Das politische Tauziehen, das wir hier seit Wochen in Deutschland erleben, ist eines Rechtsstaates unwürdig."