An Rhein und Ruhr. Hooligans und Rocker haben keine Berührungsängste mit Neonazis. Experten warnen vor der Radikalisierung der Szene bis hin zum Rechtsterrorismus.
Das Düsseldorfer Rheinbad am Sonntagnachmittag. Die Polizei ist wieder da, erneut mit einem Großaufgebot. Diesmal nicht, weil Jugendliche randalieren, sondern wegen einer Gruppe von rund 50 Erwachsenen, darunter Menschen, die der rechtsextremen „Bruderschaft Deutschland“ zugeordnet werden. Sie wollen ins Schwimmbad, um „Deutsche zu schützen“, müssen aber unverrichteter Dinge wieder abziehen.
Essen, am Donnerstag vergangener Woche. Die „Steeler Jungs“ haben zu einem „Trauermarsch“ für den in Frankfurt vor einen Zug gestoßenen Jungen aufgerufen. 350 Menschen folgen dem Aufruf, darunter Vertreter der Bruderschaft, der rechtsextremen Organisation „Mönchengladbach steht auf“, aber auch neonazistische Kader von der Partei „Die Rechte“ und der NPD.
Am Anfang stand HoGeSa
Die rechtsextreme Szene in Nordrhein-Westfalen hat sich in den vergangenen Jahren stetig verändert. Freie Kameradschaften oder Autonome Nationalisten haben sich auch durch staatliche Repression als Organisationskonzepte überholt.
Mit den „Hooligans gegen Salafisten“, kurz HoGeSa, tauchte ab 2014 ein neues Phänomen im rechtsextremen Milieu auf. Diejenigen, die sich im Oktober vor fünf Jahren in Köln eine brutale Straßenschlacht mit der Polizei lieferten, waren keine klassischen, ideologiefesten Neonazis, sondern zumeist rechte Fußballschläger, die sich als Vertreter eines imaginierten Volkswillen verstanden, damals: als Kampftruppe gegen Islamisten.
Experte: Es sind viele, und sie meinen es ernst
Aus diesem eher politikfernen Milieu rekrutieren sich auch die meisten Mitglieder der selbsternannten Bürgerwehren, die als „Steeler Jungs“ in Essen, „Bruderschaft Deutschland“ in Düsseldorf, „Begleitschutz Köln“ oder „Mönchengladbach steht auf“ firmieren. Der Verfassungsschutz hat all diese Organisationen im Blick, bezeichnet sie als „Mischszenen“, in denen sich Wutbürger, Neonazis, Hooligans, Kampfsportler und Leute aus der Türsteher-Szene zusammenschließen. Häufig sind sie 30 Jahre und älter, oft haben sie sich eine bürgerliche Existenz aufgebaut. „Es sind viele, und sie meinen es ernst“, warnt Jürgen Peters, Referent beim Antirassistischen Bildungsforum Rheinland.
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Ihnen ist jetzt gemein, dass sie der Meinung sind, sie müssten Deutschland, speziell die deutschen Frauen, vor kriminellen Zuwanderern retten, weil der Staat versagt. „Sie eint ein ganz primitives, schlichtes, rassistisches Weltbild“, sagt der Düsseldorfer Rechtsextremismus-Experte Alexander Häusler. Er warnt aber: „Auch bei ihnen droht eine mögliche Radikalisierung einzelner Mitglieder bis hin zur Begehung rechtsterroristischer Straftaten.“
Übergang zum Neonazismus fließend
Zudem ist der Übergang zu den klassischen Neonazi-Strukturen fließend. Mitglieder der Düsseldorfer Bruderschaft treten laut Jürgen Peters auch bei Veranstaltungen der rechtsextremen Kleinstpartei „Der III. Weg“ auf, zu einer Demonstration von „Mönchengladbach steht auf“ kamen Vertreter der in Kamp-Lintfort ansässigen neonazistischen „Volksgemeinschaft Niederrhein“. In Essen liefen die „Steeler Jungs“ in der vergangenen Woche erstmals offen Seite an Seite mit bekannten Dortmunder Neonazi-Kadern wie Siegfried „SS-Siggi“ Borchardt, dem gerade zu einer Haftstrafe verurteilten Chef der Partei „Die Rechte“ Sascha Krolzig oder NPD-Landeschef Claus Cremer.
Die Hooligans und Rocker zeigten, dass sie „Abgrenzung vom Rechtsextremismus als irrelevant oder gar als falsch ansehen“, urteilt der Landesverfassungsschutz. Rechtsextremisten begrüßten diese Entwicklung und überlegten, wie „man diese überwiegend fremdenfeindlich motivierten Proteste weiter radikalisieren kann“, heißt es im aktuellen Verfassungsschutzbericht.
Beifall aus dem bürgerlichen Lager
Zugleich suchen die Gruppierungen aber auch Beifall jenseits des rechten Randes, und besetzen Themen, die die bürgerliche Mitte bewegen. In Mülheim organisierte beispielsweise nach der Vergewaltigung einer jungen Frau das ebenfalls von den Sicherheitsbehörden beobachtete Bündnis „NRW stellt sich quer“, das aus den „Patrioten NRW“ hervorgegangen ist, eine Mahnwache, zu der auch Menschen aus dem bürgerlichen Lager stießen. In Duisburg, Düsseldorf und Köln gab es Mahnwachen für den in Frankfurt vor einen Zug gestoßenen Jungen. In Essen applaudierten Bürger beim „Trauermarsch“ der „Steeler Jungs“.