Essen. Bemerkenswert viel Zulauf hatte die jüngste Demo der „Steeler Jungs“. Gut 350 spazierten durch den Stadtteil – von Familien bis zu Nazi-Größen.

Für die Kritiker war es eine „unerträgliche Heuchelei“ und rassistische Hetze obendrein. Doch dass der jüngste „Spaziergang“ der bürgerwehrähnlichen Gruppierung Steeler Jungs zum Trauermarsch für den ermordeten kleinen Jungen am Frankfurter Hauptbahnhof umgewidmet wurde, erwies sich für diese – gemessen an den Teilnehmerzahlen – augenscheinlich als Erfolg: Gut 350 Personen machten sich am Donnerstagabend auf den Weg durch den Stadtteil, Familien mit kleinen Kindern genauso wie bekannte Nazigrößen aus NRW.

Die Gegendemonstration am Kaiser-Otto-Platz fiel zahlenmäßig deutlich kleiner aus. Aber mehr noch als dieser Umstand irritierte manchen Beobachter, dass die vom Verfassungsschutz beobachteten Demonstranten aus der Hooligan-, Rocker- und Rechts-Szene für ihren Auftritt auch von einigen Bürgern im nahen Eiscafé spontanen Beifall erhielten. Und dass der Aufmarsch abermals nur von wenigen Polizisten begleitet wurde.

„Essen stellt sich quer“ warnt vor „Kuschelkurs“ der Polizei

„Wenn die Crème de la Crème der nordrhein-westfälischen Neonazi-Szene in einer Gruppe von 300 Rechten und Rechtsradikalen in Essen auftritt, wird sie handzahm von unbehelmten Streifenbeamten begleitet“, empörte sich Max Adelmann als Sprecher des Bündnisses „Essen stellt sich quer“. Seine Mitstreiter warnen davor, „dass das Kuscheln der Polizei mit den ,Steeler Jungs’ im schlimmsten Fall zu Zuständen wie in Dortmund-Dorstfeld führen wird“. Der Auftritt der Kader von „Die Rechte“ sei ein Warnschuss, „denn offenbar fühlen sich selbst die radikalsten Nazis in Steele bereits wohl und kommen zu Besuch“.

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Die Polizei fühlt sich offenbar sicher bei ihrer Taktik, die gegnerischen Gruppierungen auch nahezu auf Armlänge Abstand aneinander vorbeilaufen zu lassen. Eine Passantin, die sich am Rande der Veranstaltung bei einem Polizisten beklagte, man könne sich angesichts dieser Verhältnisse nicht mehr beschützt genug fühlen, blitzte rundheraus ab: Es habe doch, bescheinigte ihr der Beamte, keinerlei Handgreiflichkeiten oder auch nur verbale Provokationen der „Steeler Jungs“-Demo gegeben. „Stattdessen sind die beleidigt worden, und es wird der Stinkefinger gezeigt.“

„Dass es sich nicht erledigt, sondern immer mehr werden, beängstigt mich“

Die Kritiker der „Spaziergänge“, der am Donnerstag mit einer Art Mahnwache und niedergelegten Grabkerzen am Grendplatz endete („Zum Gedenken an all die (...) Einzelfälle, die durch Flüchtlinge ihr Leben verloren haben“), fordern jetzt ein Einschreiten der Politik. Die müsse nach der jüngst im Rat beschlossenen Resolution „endlich konkret handeln“.

Doch wie genau, darüber rätseln auch jene, die wie die grüne Fraktionschefin Hiltrud Schmutzler-Jäger seit knapp einem Jahr regelmäßig an den Gegendemos teilnehmen: „Ich hatte ehrlich gesagt gehofft, dass sich diese Aufmärsche in einem gewachsenen Stadtteil wie Steele schnell von allein erledigen“, sagt sie. „Dass das nicht passiert ist, dass es immer mehr werden, irritiert. Und beängstigt mich.“