Essen. Anwalt Karim Popal fordert Entschädigung für die Hinterbliebenen des Bombardements von Kundus. Falls es keine außergerichtliche Einigung gibt, wollen er und drei weitere Anwälte auf Schadensersatz klagen. Im Gespräch mit der WAZ erklärt er, warum er von 168 zivilen Opfern ausgeht.
"Wir sind es leid. Es dauert uns zu lange!”, sagt Karim Popal, der Bremer Anwalt, der 78 afghanische Familien vertritt, deren Angehörige als zivile Opfer bei dem Luftangriff in Afghanistan ums Leben kamen. Im Gespräch mit der WAZ erklärt Popal, warum er von insgesamt 168 zivilen Opfern bei dem Bombardement ausgeht. Popal fordert gemeinsam mit drei Anwälten aus Berlin und Frankfurt von der Bundesregierung eine Entschädigung für diese Familien.
Herr Popal, Sie planen, am heutigen Freitag in Berlin Beweise vorzulegen für die hohe Zahl der zivilen Opfer bei dem von der Bundeswehr initiierten Nato-Luftangriff bei Kundus. Mit welchem Ziel?
Karim Popal: Wir haben dem Verteidigungsministerium vor einiger Zeit den Vorschlag gemacht, außergerichtlich eine Einigung über die Entschädigung der betroffenen Familien zu finden, um Zivilklagen zu vermeiden. Unsere Forderung wurde auch nicht zurückgewiesen, aber seitdem warten wir auf eine Reaktion. Nun sind wir es leid. Es dauert uns zu lange. Unser Anliegen ist eine erwiesene Tatsache. Am heutigen Freitag werden wir Beweismittel vorlegen für den Tod der zivilen Opfer. Fotos, Filme, Zeugenaussagen und Filmmaterial.
Die Bundesregierung geht zurzeit von 30 bis 40 zivilen Opfern aus, sie sprechen allerdings von 168. Woher nehmen Sie die Zahl?
Karim Popal: Sowohl die Liste von Amnesty International als auch die der Vereinten Nationen führen 168 zivile Opfer an. Einzig der Gouverneur von Kundus, ein korrupter Typ, hat eine Gegenliste erstellt, spricht immerzu von 30 toten Zivilisten.
Warum hielten sich diese Menschen in der Nähe der Tanklastzüge auf?
Karim Popal: Der 4. September fiel in die Zeit des Ramadan, des islamischen Fastenmonats. Es war gegen Abend, als fünf bewaffnete Taliban in der Moschee auftauchten und die Betenden aufforderten, mitzuhelfen, das Benzin aus den Tanklastzügen abzuzapfen. Anfangs befanden sich sogar 1000 Leute, Kinder, Frauen und Männer, in der Nähe der Tank-Lastwagen.
Vor kurzem waren Sie wieder in Afghanistan. Was wissen Sie inzwischen über die Opfer?
Karim Popal: Unter den Toten sind zwei- und dreijährige Kinder und Frauen. Zu den Hinterbliebenen gehört eine Frau, die ihren Mann dort am Kundus-Fluss verlor und nun allein für sechs Kinder sorgen muss. Das älteste ist gerade einmal elf Jahre alt. Wir haben der Bundesregierung eine außergerichtliche Einigung vorgeschlagen. Sollte das scheitern, klagen wir auf Schadenersatz wegen fehlerhaftem und fahrlässigem Verhalten der Bundeswehr.