Berlin. Verteidigungsminister Franz Josef Jung weist alle Vorwürfe in der Luftschlag-Affäre zurück. Die Opposition fordert dennoch seinen Rücktritt

Womöglich dachte sich Franz Josef Jung: Oh Herr, lass es einfach vorübergehen. Zumindest erweckte der Ex-Verteidigungsminister (CDU) diesen Anschein. Mit gefalteten Händen hockte der jetzige Arbeitsminister auf der Regierungsbank und knipste ein unbeholfenes Lächeln an, sobald Oppositionspolitiker auf ihn verbal einprügelten und seinen Rücktritt forderten.

Eigentlich sollte an diesem Donnerstag die Debatte um die Verlängerung des Afghanistan-Einsatzes im Mittelpunkt stehen. De facto aber interessierten nur das Bombardement auf die beiden entführten Tanklaster im afghanischen Kundus und die Frage: Hat Franz Josef Jung die Öffentlichkeit belogen, oder haben seine Spitzenministerialen ihm wichtige Infos schlicht verschwiegen?

Mit Wucht hatte die Meldung der „Bild” am Morgen eingeschlagen, nach der das Verteidigungsministerium einen Bericht und Videos zum Tanklaster-Angriff der Staatsanwaltschaft und der Öffentlichkeit vorenthalten hat. Danach hatte das Jung-Ministerium bereits kurz nach dem Angriff Hinweise auf zivile Opfer, während Jung noch von toten Taliban gesprochen hatte.

Scharfe Angriffe auf Jung

Jung-Nachfolger Karl-Theodor zu Guttenberg (CSU) reagierte umgehend mit personellen Konsequenzen. Er habe Bundeswehr-Generalinspekteur Wolfgang Schneiderhan und Verteidigungs-Staatssekretär Peter Wichert von ihren Pflichten entbunden, erklärte Guttenberg vor dem Parlament. Der Bericht werde nun unverzüglich ausgewertet. „Das ist mein Verständnis von Transparenz”, so Guttenberg.

Scharfe Angriffe gegen Jung kamen von der Opposition: „Es ist klar, dass wir an einem Untersuchungsausschuss nicht vorbeikommen, es sei denn, Sie ziehen die Konsequenzen”, so der SPD-Politiker Johannes Pflug. Der Grünen-Parlamentarier Frithjof Schmidt wurde deutlicher: „Wenn sich bestätigen sollte, dass Sie de facto den Bundestag in diesem Zusammenhang belogen haben, dann sind Sie als Minister nicht mehr haltbar – egal in welcher Funktion.”

Wie die Bild berichtete, hat das Verteidigungsministerium ein Video zu dem Luftangriff am 4. September und einen Bericht über die Folgen. Demnach meldete das deutsche Regionalkommando in Masar-i-Scharif an das Einsatzführungskommando der Bundeswehr in Potsdam schon wenige Stunden nach dem Angriff Hinweise auf zivile Opfer. So habe ein Arzt im Regionalkommando zunächst ein verletztes Kind und später zwei etwa 14 Jahre alte Jungen mit offenem Bruch und Schrapnell-Verletzungen gemeldet.

Dies ist aus mehreren Gründen brisant. Zum einen sagte Jung noch am 6. September in einem Interview, dass „ausschließlich terroristische Taliban getötet worden” seien. Zum anderen ging der Bericht nicht an die Staatsanwaltschaft. Diese wiederum sollte prüfen, ob gegen Oberst Georg Klein, der am 4. September den Angriff angeordnet hatte, ein Ermittlungsverfahren eingeleitet werden sollte. Zudem belegen der Bericht und ein Video vom Angriff, das aus einem der beteiligten US-Kampfjets aufgenommen wurde, offenbar schwere Versäumnisse bei der Aufklärung kurz vor dem Bombenabwurf.

Minister: Alles korrekt

Nach der Parlamentsdebatte über die „Demokratie in Honduras” ging Jung dann am Abend in die Offensive und wies alle Vorwürfe von sich. Am 5. oder 6. Oktober informierte ihn demnach der Generalinspekteur, dass es noch einen Feldjägerbericht gebe. „Konkrete Kenntnis von diesem Bericht habe ich nicht erhalten”, sagte Jung. Aus dem Sachverhalt gehe eindeutig hervor, dass er sowohl die Öffentlichkeit als auch das Parlament korrekt über seinen Kenntnisstand informiert habe, sagte Jung und erntete spöttisches Gelächter von den Abgeordneten.

Die Opposition warf ihm vor, zentrale Fragen nicht beantwortet zu haben und blieb bei den Rücktrittsforderungen. „Herr Jung, ziehen sie an besten gleich die Konsequenz. Das ist in ihrem Interesse und in unserem”, so Linken-Fraktionschef Gregor Gysi. Auch Grünen-Fraktionschef Jürgen Trittin forderte den Rücktritt: „Sie haben der Öffentlichkeit und dem Bundestag die Unwahrheit gesagt.”