Düsseldorf. . Im Ruhrgebiet sind viele Familien von Wohlstand und Aufstieg weit entfernt. Die Landesregierung hat viele familienpolitische Baustellen.
Über einen Mangel an Solidaritätsbekundungen können die rund 1,8 Millionen Familien mit minderjährigen Kindern in NRW nicht klagen. Im Koalitionsvertrag von CDU und FDP steht die Familie weit vorne. „Schutz“ und „Unterstützung“ soll sie erfahren, und der Aufstieg der Kinder durch Bildung dürfe nicht vom Geldbeutel der Eltern abhängen, heißt es. Tatsächlich aber ist ein Teil der Familien von Wohlstand und Aufstieg weit entfernt, besonders in den Großstädten an Rhein und Ruhr.
Baustelle Kita-Finanzierung
„Mehr Zeit“ und „gute Kinderbetreuung“ gehören laut „Familienbericht NRW“ zu den größten Wünschen der Familien. Aber viele Kindertagesstätten stehen finanziell unter Druck, und Erzieherinnen beklagen fehlende Wertschätzung durch die Politik.
Den Pädagogen fehlt ausgerechnet das Wichtigste: Zeit für die Betreuung. „Kitas könnten Integrationsmotoren sein“, sagt Stefan Behlau, NRW-Chef der Erziehergewerkschaft VBE. Aber diese Chance werde zu selten genutzt.
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NRW-Familienminister Joachim Stamp (FDP) bereitet ein Gesetz vor, das die Finanzierung und gute Ausstattung der Kitas sichern soll. Die rot-grüne Vorgängerregierung brachte dies nicht zu Stande, und Schwarz-Gelb muss drei Jahre lang mit Nothilfen für die Träger überbrücken, bis das Gesetz voraussichtlich vom Kita-Jahr 2020/21 an in Kraft treten kann. „Es ist eine enorme Herausforderung, eine Großbaustelle“, sagte Stamp.
„24-Stunden-Kitas“ denkbar
Am Ende aber dürften die Erzieherinnen mehr Zeit für die rund 650.000 Kita-Kinder haben, und Eltern könnten von flexibleren Öffnungszeiten profitieren. An manchen Uni-Kliniken seien sogar „24-Stunden-Kitas“ denkbar. Es werde aber kein Kind dort für 24 Stunden abgegeben, versichert der Minister. Auch Betriebskindergärten will die Regierung verstärkt fördern. „Nicht die Familie muss wirtschaftsfreundlicher, sondern die Wirtschaft muss familienfreundlicher werden“ – so steht es im Koalitionsvertrag.
Aus Sicht der Opposition verhalten sich CDU und FDP aber beim Thema Kitas unsozial. „Sie wollen die Kinderbetreuung nicht komplett beitragsfrei machen. Sie streben keine landesweit einheitliche Elterntabelle für Kita-Beiträge an“, kritisiert Dennis Maelzer, Familienexperte der SPD-Landtagsfraktion.
Armutsrisiko für Alleinerziehende
„Kein Kind zurücklassen“ – dieses nur in Ansätzen eingelöste Versprechen der alten Landesregierung bleibt Daueraufgabe für die neue. Bezahlbare Wohnungen sind selten geworden. Annähernd jedes fünfte Kind in NRW wächst in einer Familie auf, die von Hartz IV lebt. In den Revier-Großstädten gilt fast jedes dritte Kind als arm. In jeder fünften Familie in NRW gibt es nur Alleinerziehende, fast immer sind es Frauen. Diese Familien verfügen im Schnitt nicht einmal über halb so viel Einkommen wie Paare mit Kindern. Allein im Ruhrgebiet leben nach Erhebungen der großen Wohlfahrtsverbände fast 10.000 allein erziehende, arbeitslose Frauen.
Das Familienministerium verfolgt in den kommenden Monaten weitere Projekte: Ab dem Kita-Jahr 2018 investiert es in den Ausbau von 150 neuen Familienzentren, von denen „besonders Kinder und Familien in schwierigen sozialen Lagen“ profitieren sollen. Zudem sollen Väter dazu motiviert werden, mehr Familienaufgaben zu übernehmen. Die Aktionsplattform „Familie@Beruf“ (www.familieundberuf.nrw.de) wird ausgebaut, um Unternehmen für die Vereinbarkeit von Familie und Beruf zu sensibilisieren.
NRW hat außerdem eine Bundesratsinitiative gestartet, um Familien in Zukunft steuerlich zu entlasten. Ziel: höhere Freibeträge für Kinder in der Ausbildung, bessere Absetzbarkeit von Kita- und Tagesmütter-Kosten. Ob und wann das kommt, ist allerdings ungewiss.