Düsseldorf. Agrarministerin Schulze Föcking muss eingestehen, dass der im April beklagte Hackerangriff nicht stattgefunden hat. Der Druck auf sie steigt.
Ein von der Landesregierung beklagter Hacker-Angriff auf den Privatfernseher von Landwirtschaftsministerin Christina Schulze Föcking (CDU) hat nie stattgefunden. Wie die Ministerin am Montag in einer persönlichen Erklärung einräumte, hätten „computerforensische Untersuchungen“ der auf Cyberkriminalität spezialisierten Staatsanwaltschaft Köln ergeben, dass sich doch kein Externer digitalen Zugriff auf das Netzwerk ihres Hofes und ihrer Privatwohnung in Steinfurt verschafft habe.
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Am späten Abend des 15. März sollen auf Schulze Föckings Fernseher Szenen aus einer Landtagsfragestunde eingespielt worden sein. Darin war es um Tierschutz-Vorwürfe gegen die seit Monaten unter Druck stehende Ministerin und den Schweinemastbetrieb ihrer Familie gegangen. Die Ermittler gingen nunmehr davon aus, „dass die Videoübertragung unbemerkt und unbeabsichtigt durch ein für das Heimnetz berechtigtes Gerät in einer anliegenden Wohnung der Familie ausgelöst wurde“, erklärte die Ministerin. Darüber sei sie bereits am 18. April in Kenntnis gesetzt worden.
Hat die Staatskanzlei den Fall aufgebauscht?
Die Opposition im Landtag reagierte entsetzt. „Der Skandal um Schulze Föcking wird immer bizarrer: Der vermeintliche Hackerangriff auf ihren Fernseher entpuppt sich als Bedienfehler des heimischen Videorekorders“, sagte SPD-Fraktionsvize Christian Dahm. Grünen-Fraktionschefin Monika Düker äußerte den Verdacht, dass die Staatskanzlei gezielt einen Vorgang aufgebauscht habe: „Hier entsteht der fatale Eindruck, dass eine Solidaritätskampagne für eine angeschlagene Ministerin aufgrund falscher Tatsachen organisiert werden sollte.“
Regierungssprecher Christian Wiermer hatte bereits am Mittag des 16. März eine Solidaritätserklärung der Regierung für Schulze Föcking herausgegeben. Es habe „offenkundig kriminelle Eingriffe in die Privatsphäre der Ministerin“ gegeben. Versuche, „auf persönliche Daten“ zuzugreifen, seien mindestens teilweise erfolgreich gewesen. Wiermer berief sich auf nicht näher genannte NRW-Ermittlungsbehörden.
Faktenlage war nur äußerst dünn
Wie konnte es zu der Fehleinschätzung in der Staatskanzlei kommen? Dünn war die Faktenlage an jenem 16. März. Die von der Landesregierung verbreitete Nachricht von den „offenkundig kriminellen Eingriffen in die Privatsphäre der Ministerin“ fußte offenbar nur auf einer „WE-Meldung“ der Kreispolizei Steinfurt. „WE“ steht für „wichtiges Ereignis“. Wenn ein Polizeieinsatz zu einem Minister führt, dann müssen die Polizisten eine solche Meldung der Landesleitstelle schicken. Von dort geht sie an die Spitzen der Landesregierung.
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Die Beamten hielten sich am späten Donnerstagabend eine Stunde lang im Haus der Ministerin auf. Nach der Befragung schrieben sie ins Protokoll, dass sich „vermutlich“ Unbekannte Zugriff über das WLAN-Netz des Hauses auf das Netzwerk der Familie verschafft hätten. Es werde ermittelt, inwieweit auf Computer oder das Handy von Schulze Föcking zugegriffen wurde.
Fraktionen und Regierung bekundeten Solidarität
„Mindestens teilweise“ seien diese Zugriffsversuche erfolgreich gewesen, steht Stunden später in der Pressemitteilung der Regierung. Solche Erkenntnisse dürften zu diesem Zeitpunkt aber gar nicht vorgelegen haben, zumindest keine sicheren. Die Staatsanwaltschaft Köln beauftragte erst am 17. März das Landeskriminalamt mit den Ermittlungen. In Düsseldorf war am 16. März trotz der dürren Faktenlage die Aufregung groß. Die Landesregierung bekundete Solidarität mit der Ministerin. SPD und Grünen schlossen sich auf Bitten der CDU einer gemeinsamen Erklärung der Landtagsfraktionen an, in der man den „Akt psychologischer Gewalt“ gegen Schulze Föcking verurteilte, das Landtagspräsidium zeigte sich „schockiert“.
Christina Schulze Föcking erklärte erst Montag (7. Mai) dass es keinen Hackerangriff gegen sie gab, obwohl ihr dies schon am 18. April als „vorläufiges Ergebnis“ von der Staatsanwaltschaft Köln mitgeteilt worden war. „Ich bin erleichtert, dass damit ein Ausspähen privater und sensibler Daten als unwahrscheinlich angesehen wird“, sagte sie.
Fünf Strafanzeigen wegen massiver Bedrohungen
Die Politikerin, die wegen eines Schweinemast-Skandals in ihrem Familienbetrieb und wegen der umstrittenen Auflösung einer für Umweltkriminalität zuständigen Stabsstelle unter Druck steht, teilte außerdem mit, dass sie nach massiven Drohungen gegen sie in sozialen Netzwerken in fünf Fällen Strafanzeige erstattet und den Staatsschutz informiert habe. Die Anfeindungen seien „bis hin zur Aufforderung, man möge meinem Leben ein Ende setzen“, gegangen. Ihr Ehemann habe Anzeige gegen den Vertreter einer Tierschutzorganisation gestellt, der in einem Gerichtsverfahren den Einbruch in die Ställe ihres Betriebes gestanden haben soll, schrieb Schulze Föcking.