Düsseldorf. . Verena Schäffer hat sich als fleißige und genaue Innenexpertin den Ruf als größtes Talent der Öko-Partei erarbeitet. Nur gelassen ist sie nicht.
Die kölsche Art lässt sie gerade um Fassung ringen. Verena Schäffer ist in einer Kölner „Business-Lounge“ auf die Vorderkante ihres Sessels vorgerutscht, hat den Rücken durchgedrückt und redet aufgeregt wie eine Radio-Reporterin in der Bundesliga-Schlusskonferenz. Sie will in dieser innenpolitischen Diskussionsrunde jetzt endlich klarstellen, worin der Unterschied zwischen Strafverfolgung und Gefahrenabwehr bei der Videoüberwachung liegt.
Der sehr rheinische Moderator macht sich einen Spaß daraus, dass er nichts kapiert. Rechts von Schäffer lächelt der Kölner Polizeipräsident Uwe Jacob milde. Jacob ist seit mehr als 40 Jahren Polizist und war schon Chef des Landeskriminalamtes. Links schlägt Innenminister Herbert Reul entspannt die Beine übereinander. Reul gehört seit 40 Jahren verschiedenen Parlamenten an und war mal Lehrer. Er weiß, dass man sein Publikum niemals mit Paragrafen abholt.
Start als jüngste Abgeordnete in den Landtag
Verena Schäffer kann nicht anders. „Ungenauigkeit regt mich auf“, sagt sie. Die 31-jährige Landtagsabgeordnete ist das größte Talent der nordrhein-westfälischen Grünen. Sie ist fleißig, präzise, brennt für ihre Themen, verehrt emotionale Überzeugungstäterinnen wie Claudia Roth. Eine ausgeruhte Rednerin, die wie ein Robert Habeck, Reiner Priggen oder Boris Palmer auch Menschen außerhalb des grünen Kosmos argumentativ einfangen könnte, ist sie nicht. Vielleicht noch nicht. Wo andere vereinfachen, um Dinge vermittelbar zu machen, wird es Schäffer schnell zu platt.
Lässt sich Gelassenheit in der Politik lernen? Es ist vielleicht die größte Herausforderung in der Karriere von Verena Schäffer. Die Wittenerin kam 2010 als jüngste Abgeordnete in den Landtag. Direkt nach dem Bachelor in Geschichte und Jüdischen Studien. Sie hatte sich als Sprecherin der grünen Jugendorganisation einen Namen gemacht. Obwohl in der Partei-Geografie beim linken Flügel angesiedelt, stürzte sich Schäffer in die Innenpolitik. Bei den bis heute polizei-skeptischen Grünen ist das kein Gewinner-Thema. Neulinge träumen normalerweise von den Ressorts Umwelt, Verkehr oder Verbraucherrechte.
Arbeit gegen Rechtsextremismus
Schäffer erwarb sich schnell den Ruf, den Dingen auf den Grund zu gehen und diskret verhandeln zu können. Zu rot-grünen Regierungszeiten rang sie mit Innenminister Ralf Jäger (SPD) zäh um Kompromisse, ohne dass die Öffentlichkeit davon erfuhr. „Die Innenpolitik ist für mich die logische Fortführung meiner Arbeit gegen Rechtsextremismus“, sagt Schäffer. Rechtsextreme Übergriffe, rassistische Hetze, krude Phänomene wie die Reichsbürger-Bewegung – all das lässt sie seit Jahren nicht ruhen. Als Grünen-Sprecherin im Untersuchungsausschuss des Landtags zur NSU-Mordserie arbeitete sie sich akribisch durch die Chronologie des Grauens.
Schäffer genießt Respekt über Parteigrenzen hinweg. Der neue CDU-Innenminister Reul redet die Grüne zwar schon mal im Innenausschuss mit „junge Frau“ an. Doch wenn man die beiden hinter den Kulissen diskutieren sieht, bietet sich ein friedfertiges Bild: Der zum Scherzen neigende Rheinländer Reul lacht, die engagiert auf ihn einredende Schäffer klopft ihm rhythmisch auf den Unterarm. Ach, die über 30 Jahre jüngere Kollegin sei trotz aller Meinungsunterschiede „eine ehrliche Haut“, findet Reul.
Kinderzimmer im Fraktionsflur
Nach der für die NRW-Grünen katastrophalen Landtagswahl im Mai hatten viele Schäffer bereits als neue Nummer eins auf dem Zettel. Doch sie wurde nur Parlamentarische Geschäftsführerin, also Managerin der Fraktion. Der Sprung nach ganz oben kam zu früh. Schäffer ist Mutter einer kleinen Tochter und pendelt zwischen ihrer Heimat Witten und Köln, dem Wohnort ihres Lebenspartners.
Vor eineinhalb Jahren richteten die Grünen auf dem Fraktionsflur ein Kinderzimmer ein. Zwischen Sitzungen und Telefonaten lag Schäffer dort mit ihrem Baby auf dem Spielteppich. Wenn sie im Parlament sprach, schob ihre Mutter oder eine Freundin den Kinderwagen am Rhein entlang. In Sitzungspausen wurde gestillt. „Junge Eltern und Politik muss vereinbar sein“, sagte Schäffer damals. Es klang programmatisch. Bislang halten Verena Schäffers Pläne, was sie sich von ihnen verspricht.
>> ZUR PERSON
Verena Schäffer (31) ist in Witten aufgewachsen und zog 2010 als jüngste Abgeordnete in den Landtag ein. Sie studierte Geschichte und Jüdische Studien in Düsseldorf. Die Mutter einer Tochter hat sich früh auf die Themenfelder Innenpolitik und Rechtsextremismus spezialisiert. Sie vertrat die Grünen im Untersuchungsausschuss des Landtags zur NSU-Mordserie. Seit der Landtagswahl im Mai ist Schäffer auch Parlamentarische Geschäftsführerin ihrer Fraktion.