Berlin. Nach den schweren Ausschreitungen am 1. Mai in Berlin hat die Staatsanwaltschaft gegen 44 Verdächtige Haftbefehl erlassen. Gegen vier Randalierer wird wegen versuchten Mordes ermittelt. Berlins Innensenator steht nach seinem Vergewaltigungsvergleich nun massiv in der Kritik.
Nach den heftigsten Mai-Krawallen seit Jahren hat die Berliner Justiz 44 Haftbefehle erlassen. Gegen vier Verdächtige wird wegen versuchten Mords ermittelt, wie die Staatsanwaltschaft am Sonntag mitteilte. Der Berliner Innensenator Ehrhart Körting geriet derweil wegen eines Vergleichs der Krawalle mit Vergewaltigungen unter Druck. Bei den Straßenschlachten waren 273 Polizisten verletzt worden. Die Polizeigewerkschaften sprachen von Mordanschlägen.
Laut Berliner Staatsanwaltschaft kamen 17 Verdächtige in Untersuchungshaft, die übrigen wurden gegen Auflagen auf freien Fuß gesetzt. Zwei weitere junge Männer wurden nach dem Jugendschutzgesetz in Heimen untergebracht.
Körting sorgte mit einem Vergleich der Krawalle mit einer Vergewaltigung für Aufregung. CSU-Generalsekretär Alexander Dobrindt forderte den Rücktritt des SPD-Politikers. Körting hatte über Steinewerfer und Autoanzünder gesagt: «Das ist wie bei Sexualdelikten: Ist die Frau erst mal ausgezogen und vergewaltigt, dann fällt es anderen leichter, auch mitzumachen.» Mittlerweile bezeichnete er den Vergleich in der «Bild am Sonntag» selbst als unglücklich.
CSU-Generalsekretär Alexander Dobrindt sagte der Zeitung: «Körting muss sich öffentlich entschuldigen und dann seine Koffer packen und abhauen. Solche perversen und unverschämten Parolen sind eines Berliner Senators unwürdig.» Auch andere Politiker kritisierten Körting. CDU-Generalsekretär Ronald Pofalla forderte eine öffentliche Entschuldigung und bezeichnete den Vergleich als abstoßend und Skandal. FDP-Generalsekretär Dirk Niebel erklärte: «Mit seiner Äußerung bagatellisiert Körting Sexual- und Gewaltstraftaten.»
Neue Qualität der Gewalt
Der Berliner Polizeipräsident Dieter Glietsch sprach nach den Straßenschlachten in der Nacht zu Samstag von einer neuen Qualität der Gewalt. «Die Zahl der Gewalttäter war in diesem Jahr höher, die Gewalttaten begannen früher und die Angriffe gegen Polizeibeamte waren heftiger als im Vorjahr», sagte er. Trotzdem solle die Deeskalationstaktik fortgesetzt werden.
Im letzten Jahr wurden 112 Polizisten bei den Krawallen verletzt. Verletzt wurden auch Dutzende Randalierer und Passanten, die mit zumeist klaffenden Kopfwunden und Prellungen behandelt werden mussten.
Bei den Straßenschlachten wurden 289 Personen festgenommen, 150 mehr als 2008. Rund 5.800 Beamte waren im Einsatz.
Körting räumte ein: «Im Bemühen, einen friedlichen 1. Mai zu bekommen, haben wir einen Rückschlag erlitten.» Seiner Meinung nach seien die Täter jedoch keine Protagonisten bevorstehender sozialer Unruhen. Der Großteil habe unpolitisch gehandelt.
Beamte mit Benzin übergossen und angezündet
Ausgangspunkt der Ausschreitungen war eine Demonstration linker Gruppen, bei der Randalierer zwei Polizeiautos stark beschädigten und Steine, Gehwegplatten, Feuerwerkskörper, Brandsätze und Flaschen auf die Beamten warfen. Drei Beamte wurden mit Benzin übergossen und angezündet, blieben aber unverletzt. Darüber hinaus errichteten die Randalierer an mehreren Stellen am Rande eines großen Fests, zu dem rund 35.000 Menschen kamen, Barrikaden und zündeten auf den Straßen Müllcontainer an.
Gewalt «neuer Qualität» gab es auch anderswo: So hatten am 1. Mai in Dortmund rund 300 Rechtsextreme gezielt Teilnehmer einer DGB-Demonstration mit Holzstangen und Steinen angegriffen. Auch im Hamburger Schanzenviertel gab es in der Nacht Ausschreitungen, bei denen sechs Polizisten verletzt wurden. Die Polizei, die auch Wasserwerfer einsetzte, nahm 23 Personen aus der linken Szene fest.
Der Chef der Polizeigewerkschaft GdP, Konrad Freiberg, sprach von Mordanschlägen auf Polizisten und forderte die Einstellung von mehr Beamten. Der Chef der Deutschen Polizeigewerkschaft, Rainer Wendt, sagte der «Neuen Osnabrücker Zeitung», durch die «dramatische Zurückhaltung» seien Polizisten zur Steinigung freigegeben worden. Auch sei es ein fataler Fehler gewesen, auf den Einsatz von Wasserwerfern zu verzichten. (ap)