L'Aquila. Zum Abschluss des G-8-Gipfels haben sich die führenden Industrienationen darauf verständigt, in den kommenden drei Jahren die Entwicklung der Landwirtschaft in den ärmsten Ländern mit bis zu 20 Milliarden Dollar direkt zu fördern.
Angesichts der weltweiten Wirtschaftskrise haben die führenden Industrienationen zum Abschluss des G-8-Gipfels ein Signal in der Entwicklungshilfepolitik gesetzt: Sie verständigten sich im italienischen L'Aquila am Freitag darauf, in den kommenden drei Jahren mit bis zu 20 Milliarden Dollar (14,4 Milliarden Euro) direkt die Entwicklung der Landwirtschaft in den ärmsten Ländern zu fördern. Die Einigung wurde weitestgehend begrüßt.
Forum
Diskutieren Sie mit anderen DerWesten-Lesern
Das Ziel der sogenannten «Initiative von L'Aquila zur Lebensmittelsicherheit» sei es mit mehr Investitionen die landwirtschaftliche Produktion vor Ort in den Entwicklungsländern anzukurbeln, heißt in einer gemeinsamen Erklärung der G-8-Staaten, der wichtigsten Schwellenländer (G-5) und afrikanischer Staaten. «Wir betrachten diese Hilfe nicht als Selbstzweck», sagte US-Präsident Barack Obama, der nach Delegationsangaben zu einer Aufstockung der ursprünglich vorgesehenen Unterstützung von 15 Milliarden Dollar wesentlich beitrug. Diese zusätzliche Finanzspritze sei vielmehr als Hilfe zur Selbsthilfe zu verstehen.
„Glücklicher und ermutigender Politikwechsel“
Den Angaben zufolge steuern die USA rund 3,5 Milliarden Dollar bei. Zwischen drei und vier Milliarden Dollar sollen aus Japan und der Europäischen Union kommen. Frankreich und die Niederlande wollen sich mit zwei Milliarden Dollar beteiligen.
Der Generalsekretär der UN-Organisation für Landwirtschaft und Ernährung (FAO), Jacques Diouf, sprach von einem «glücklichen und ermutigenden Politikwechsel», der armen und hungernden Menschen helfe, ihre Lebensmittel selbst zu produzieren. Auch der Chef des Internationalen Fonds für landwirtschaftliche Entwicklung (IFAD), Kanayo Nwanze, begrüßte die Initiative der G-8.
Auch bei Hilfsorganisationen fand sie Lob. Der irische Popstar und Afrika-Aktivist Bono stellte besonders das Engagement Obamas heraus und sprach von einem «klugen und innovativen Hilfspaket für die Landwirtschaft». Oxfam forderte, dass es sich bei dem Geld wirklich um neu akquirierte Mittel und nicht um eine Budget-Umschichtung handeln müsse.
Merkel plädiert für ein Forum der G-20
Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) empfahl zum Abschluss des Gipfels ein neues zentrales Gremium zur Beratung über die weltweit drängenden Probleme. Das neue Forum könne die G-20-Gruppe sein. Probleme wie der Klimawandel, die Finanzkrise oder der Streit um das iranische Atomprogramm verlangten «gemeinsames Agieren». US-Präsident Obama sprach sich grundsätzlich für eine Erweiterung des G-8-Formats aus: «Eines ist klar. Wir dürfen nicht glauben, dass wir uns ohne Großmächte wie China, Indien und Brasilien den großen internationalen Herausforderungen stellen können.»
An den Iran wandte sich Obama erneut mit deutlichen Worten: Die G-8-Staaten würden «nicht ewig warten» und es dem Iran erlauben, Atomwaffen zu entwickeln, sagte er zum Gipfel-Abschluss. Er hoffe, die iranische Führung sehe sich die Abschlusserklärung des G-8-Gipfels an und erkenne, dass «die Haltung der Welt eindeutig» sei. Die G-8-Staaten haben Teheran eine Frist bis Ende September für eine Wiederaufnahme der Verhandlungen gesetzt.
Etwa zeitgleich mit der abschließenden Pressekonferenz des Gipfels begann am frühen Freitagnachmittag nahe L'Aquila ein Protestmarsch mehrerer tausend Menschen. Neben Globalisierungskritikern gingen auch Einwohner des Tagungsorts auf die Straße, wie AFP-Reporter berichteten.
Info: Die Beschlüsse des G-8-Gipfels
Die wichtigsten Beschlüsse des G-8-Gipfels im mittelitalienischen L'Aquila, der am Freitag zu Ende gegangen ist:
Klima
- Übernahme einer Führungsrolle im Kampf gegen den Klimawandel
- Begrenzung der Erderwärmung auf zwei Grad Celsius
- Senkung des weltweiten CO2-Ausstoßes um mindestens 50 Prozent bis 2050
- Senkung des CO2-Ausstoßes in den Industriestaaten um mindestens 80 Prozent bis 2050 (gegenüber 1990, bei späterem Vergleichsjahr stärkere Reduzierung)
Wirtschaft
- Suche nach Strategien für einen Ausstieg aus den staatlichen Konjunkturprogrammen
- Wegen der weiter unsicheren wirtschaftlichen Lage werden weitere «makroökonomische Anreize« nicht ausgeschlossen
WTO
Die Welthandelsrunde soll so schnell wie möglich abgeschlossen werden
Entwicklungsländer
Erneuerung «aller Zusagen für die Armen, besonders in Afrika«
- das heißt, Erhöhung der Entwicklungshilfe um 25 Milliarden Dollar bis 2010 im Vergleich zu 2004
- 60 Milliarden Dollar sollen bis 2012 für Gesundheit und Seuchenbekämpfung weltweit ausgegeben werden
Nahrungsmittelsicherung
20 Milliarden Dollar wollen die reichen Staaten in den kommenden drei Jahren in die Landwirtschaft von Entwicklungsländern stecken und damit deren Produktivität ankurbeln
Währung
Im Streit über die Leitwährung Dollar wollen G-8 und G-5 «Abwertungen unserer Währungen aus Wettbewerbsgründen unterlassen und ein stabiles und gut funktionierendes internationales Währungssystem voranbringen«
Iran
- große Besorgnis wegen der Niederschlagung der Proteste nach der Präsidentenwahl
- Bekenntnis zu diplomatischer Lösung des Atomkonflikts
- Aufforderung zur Annahme des Dialogangebots bis September
- Verurteilung der Holocaust-Leugnung von Präsident Ahmadinedschad
Nordkorea
scharfe Verurteilung der Atomwaffen- und Raketentests (afp/ap)