Rom. Aufgrund der aktuellen Wirtschaftskrise hungern mehr Menschen als jemals zuvor auf der Welt, beinahe jeder Sechste ist unterernährt. Dabei könnte die gesamte Weltbevölkerung ernährt werden, wenn nur der politsche Wille vorhanden wäre, so ein aktueller UN-Bericht.
Weltweit sind mehr als eine Milliarde Menschen vom Hunger betroffen und damit mehr als jemals zuvor. Das geht aus einem Bericht hervor, den die UN-Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation (FAO) und das Welternährungsprogramm der Vereinten Nation (WFP) am Mittwoch in Rom vorstellten. Dieser Höchststand sei vor allem eine Folge der weltweiten Wirtschafts- und Finanzkrise.
Die meisten hungern im Asien-Pazifik-Raum
Dem Bericht zufolge sind etwa 1,02 Milliarden Menschen unterernährt, das entspricht beinahe jedem sechsten Erdbewohner. «Es sind alle Länder betroffen, und wie immer leiden die ärmsten Länder und die hilflosesten Bevölkerungen am meisten», sagte FAO-Chef Jacques Diouf. Die überwiegende Mehrheit der vom Hunger betroffenen Menschen leben demnach in Entwicklungsländern, die meisten von ihnen im Asien-Pazifik-Raum. Dort sind 642 Millionen Menschen unterernährt. In Afrika südlich der Sahara sind es 265 Millionen Menschen, in Lateinamerika 53 Millionen, im Nahen Osten und in Nordafrika insgesamt 42 Millionen. In den Industrienationen leiden 15 Millionen Menschen Hunger.
Verursacht wird die wachsende Zahl der Hungernden dem Bericht zufolge vor allem durch die Wirtschafts- und Finanzkrise. Diese gehe einher mit einer weltweiten Lebensmittelkrise, in deren Verlauf die Preise für Grundnahrungsmittel stark anstiegen. Aber bereits vor diesen beiden Krisen sei die Zahl der unterernährten Menschen in diesem Jahrzehnt kontinuierlich angewachsen. Gleichzeitig sei die für die Landwirtschaft bestimmte Entwicklungshilfe «erheblich» reduziert worden.
Es mangelt an politischem Willen zur Hilfe
"Die Staats- und Regierungschefs haben entschlossen auf die Finanz- und Wirtschaftskrise reagiert und in kurzer Zeit Milliarden von Dollars mobilisiert», sagte Diouf. «Das gleiche entschlossene Vorgehen wird nun benötigt, um gegen Hunger und Armut vorzugehen.» Es fehle noch an politischem Willen, den Hunger «für immer auszulöschen».
Der Leiter der OECD-Abteilung für Handel und Landwirtschaft, Ken Ash, sagte der «Berliner Zeitung», es sei möglich, die gesamte Weltbevölkerung sogar dann ausreichend zu ernähren, wenn sie auf zwölf Milliarden Menschen anwachsen sollte. «Technisch ist die Versorgung möglich, es ist ein wirtschaftliches Problem», sagte Ash. Das Problem sei, dass viele kein Geld hätten, sich Essen zu kaufen. Deshalb würden nicht mehr Nahrungsmittel angebaut.
Frauen besonders betroffen
Die Präsidentin der Deutschen Welthungerhilfe, Bärbel Dieckmann, sagte, unter Hunger und Armut litten Frauen am meisten. Dabei sei eine Stärkung von Frauen «ein Schlüssel» im Kampf gegen Hunger und Armut. Dort, wo Frauen schlechter gestellt seien, sei der Hunger größer. Dort, wo Frauen in Haushalt und auf Gemeindeebene Einfluss hätten, seien sie selbst besser ernährt und ihre Kinder besser versorgt.
Der Bericht von FAO und WFP wurde vor dem Welternährungstag am Freitag veröffentlicht. Bereits Mitte Juni hatte die FAO den neuen Höchststand von Hungernden für Ende des Jahres prognostiziert. Die ganze Woche über diskutieren mehr als 300 Experten in Rom, dem Sitz der FAO, über die Frage, wie die Erdbevölkerung im Jahr 2050 ernährt werden kann. UN-Schätzungen zufolge könnte die Erdbevölkerung dann von bislang etwa 6,8 auf 9,1 Milliarden Menschen angewachsen sein. (afp)