Berlin. Das Bundesinnenministerium plant offenbar, die Trennung zwischen Verfassungsschutz und Polizei aufzuweichen. Nach WAZ-Informationen gibt es eine entsprechende "Wunschliste" in Berlin. Die Opposition spricht von einer "Horrorliste".
Als „völlig überzogen”, „verfassungswidrig” und „politisch nicht durchsetzbar” bezeichnet die SPD Ideen aus dem Bundesinnenministerium, den Inlands-Geheimdienst nach der Wahl mit zusätzlichen tiefgreifenden Zuständigkeiten auszustatten. „Das ist völlig unverhältnismäßig und teilweise grundgesetzwidrig”, sagte der innenpolitische Sprecher der Bundestagsfraktion, Dieter Wiefelspütz, am Freitag der WAZ. Hintergrund: Ausweislich einer Wunschliste verschiedener Fachabteilungen diskutiert das Innenministerium nach WAZ-Informationen über eine massive Kompetenzerweiterung des Bundesamtes für Verfassungsschutz. Insgesamt würden die Forderungen auf die Aufweichung der Trennung von Polizei und Geheimdienst hinauslaufen. So soll künftig auch der Verfassungsschutz Computer online durchsuchen dürfen, was bisher unter hohen Auflagen nur das Bundeskriminalamt darf.
Wiefelspütz: Genetischer Fingerabdruck ist verfassungswidrig
Außerdem sollen die in Köln ansässigen Verfassungsschützer auf den Info-Pool der Vorratsdatenspeicherung zugreifen dürfen. Bislang ist dies nur Polizei und Justiz gestattet. Neben der Erlaubnis, Lausch- und Spähangriffe in Privatwohnungen machen zu dürfen, so der Vorschlag aus dem Innenministerium, soll der genetische Fingerabdruck „erkennungsdienstliche Standardmaßnahme” werden.
Dazu Dieter Wiefelspütz (SPD): „Das wäre verfassungswidrig. Der genetische Fingerabdruck ist nur bei schweren Straftaten nach gesonderter richterlicher Erlaubnis möglich.” Bedenklich findet Wiefelspütz auch den Vorschlag, verdeckte Ermittler straffrei zu stellen, wenn sie in „szenetypische” kriminelle Machenschaften verwickelt werden. Stefan Paris, Sprecher von Minister Wolfgang Schäuble (CDU), stritt am Freitag ab, dass es sich bei dem Papier um eine abgestimmte Grundlage für politische Initiativen des Ministers nach der Wahl handele. „Das ist eine rein interne Stoffsammlung, die auf niedriger Ebene entstanden ist. Es gibt keinerlei Planungen, die Trennung zwischen Verfassungsschutz und Polizei aufzugeben.” Innenpolitiker von FDP und Linkspartei nannten die in der „Süddeutschen Zeitung” veröffentlichten Vorschläge eine „Horrorliste”. Es bestehe Anlass zur Annahme, dass Minister Schäuble jedes Maß verloren habe, so Wolfgang Neskovic (Die Linke).
Nur Stoffsammlung?
Wolfgang Bosbach, innenpolitischer Sprecher der CDU/CSU-Fraktion, sagte der WAZ, die Veröffentlichung der „unausgegorenen” Stoffsammlung sei der „durchsichtige Versuch, Minister Schäuble kurz vor der Wahl massiv zu schaden”. Niemand plane etwa die Ausweitung der Online-Durchsuchung, wenn man mit diesem Instrument „noch überhaupt keine Erfahrungen gesammelt hat”. Es bestehe kein Anlass, die Grenzen zwischen Geheimdiensten und Polizei aufzuweichen.