Essen/Wiesbaden. In Deutschland leben derzeit mehr militante Islamisten als 2008. Laut Bundeskriminalamt gibt es aktuell bei etwa 180 Personen Hinweise auf Verbindungen zu islamistischen Terrorcamps. Eine "niedrige zweistellige Zahl" von ausgebildeten Terror-Kämpfern halte sich in Deutschland auf.
Die Zahl der Islam-Kämpfer, die sich in Deutschland aufhalten, ist nach Auskunft des Bundeskriminalamts innerhalb des vergangenen Jahres gestiegen. Dies erklärte eine Sprecherin des BKA am Donnerstag auf Anfrage von DerWesten. Insgesamt seien den Sicherheitsbehörden derzeit etwa 180 "Personen mit Deutschland-Bezug" bekannt, die eine paramilitärische Ausbildung in einem islamistischen Terror-Camp absolviert hätten oder noch antreten wollten, erklärte die Sprecherin - noch vor einem Jahr hatte Jörg Ziercke, Präsident des BKA, von 50 Personen gesprochen.
Von diesen 180 Personen "wissen wir, dass 65 eine paramilitärische Ausbildung absolviert haben", sagte die BKA-Sprecherin. Davon hielten sich derzeit nach Erkenntnissen der Sicherheitsbehörden "eine niedrige zweistellige Zahl" von Islam-Kämpfern in Deutschland auf. Noch vor einem Jahr hatte BKA-Chef Ziercke von "einer einstelligen Zahl" gesprochen.
Kenntnis über 80 militante Islamisten
Insgesamt gebe es derzeit bei den Sicherheitsbehörden in Deutschland Kenntnis über etwa 80 Personen, bei denen "konkrete Hinweise" vorlägen, dass sie eine paramilitärische Ausbildung in islamistischen Terrocamps absolviert hätten. Von ihnen seien 15 in Haft.
Unterdessen ist nicht absehbar, wie lange Polizei, Bundespolizei und Staatsschutz in Deutschland weiterhin in erhöhter Alarmbereitschaft bleiben müssen. "Die Lage ist unverändert ernst", erklärte ein Sprecher des NRW-Innenministeriums. Nach Darstellung des Bundesinnenministeriums gab es in den vergangenen zwei Wochen sieben Bedrohungsvideos. Zuletzt war am vergangenen Freitag eine Audiobotschaft von El Kaida-Chef Osama bin Laden bekanntgeworden, in der er Europäern wegen ihres Engagements in Afghanistan mit Vergeltung droht. Außerdem tauchte ein Video der Taliban auf, in dem mit Anschlägen in Deutschland gedroht wird; darin waren unter anderem Fotos vom Brandenburger Tor in Berlin, dem Münchner Oktoberfest und dem Kölner Dom zu sehen.
Sicherheitsmaßnahmen bei Köln-Marathon verschärft
Unterdessen hat die Polizei auch beim anstehenden Köln-Marathon an diesem Sonntag die Sicherheitsmaßnahmen verschärft. Nähere Angaben gab es nicht. "Seit den Terroranschlägen vom 11. September 2001 haben wir Sicherheitskonzepte für alle Notfälle", erklärte Marathon-Organisator Markus Frisch auf Anfrage. Beim Köln-Marathon werden am Sonntag 32.000 Starter erwartet, die Organisatoren gehen von mindestens einer halben Millionen Zuschauer am Streckenrand aus.
Nach Ansicht des Terrorismusforschers Prof. Michael Brzoska vom Hamburger Institut für Friedensforschung und Sicherheitspolitik ist "nicht der Terroranschlag das Hauptziel der Terroristen, sondern die Veränderung der politischen Lage". Solange die Debatte um den Afghanistan-Einsatz in Deutschland laufe, "werden die Islamisten das mit ihren Mitteln begleiten, um die öffentliche Meinung zu beeinflussen", meint Brzoska.
Daher sei es nicht ungewöhnlich, dass die Islamisten ausgerechnet zur Bundestagswahl mit ihren Droh-Botschaften an die Öffentlichkeit gegangen sind. Zur NRW-Landtagswahl im kommenden Mai erwartet Brzoska hingegen keine gezielte islamistische Bedrohung: "Man weiß auch bei El Kaida, dass es dort nicht um den Auslandseinsatz der Bundeswehr geht". Islamistische Aktivitäten zu Parlamentswahlen seien allerdings nichts Ungewöhliches, erklärt Brzoska: "Das war auch vor drei Jahren in Spanien so, die Anschläge von Madrid geschahen kurz vor der dortigen Parlamentswahl 2006." Die dortige Regierung habe in der Folge ihre Soldaten aus Afghanistan dann zurückgezogen. Auch vor den jüngsten Wahlen in Italien im vergangenen Jahr gab es islamistische Droh-Botschaften, sagt Brzoska.
Polizeipräsenz nicht auf Dauer zu leisten
Die derzeitige Sicherheitslage vergleicht Frank Richter, NRW-Vorsitzender der Gewerkschaft der Polizei (GdP), unterdessen mit der nach den Anschlägen vom 11. September 2001. "Die Bedrohung ist ernster für uns. Damals gab es keine konkreten Drohungen gegen Deutschland, das Land war damals kein Terrorziel."
Die Lage für die Polizei sei allerdings ähnlich: "Das ist eine große Belastung für die Kollegen", die nicht unbegrenzt zu leisten möglich sei, meint Richter: "Sollte das noch ein paar Wochen weiter gehen, müssen andere polizeiliche Aufgaben zurückgestellt werden" - Präventivaufgaben wie Geschwindigkeitskontrollen zum Beispiel. Mehr Polizeipräsenz in Bahnhöfen, Flughäfen auf den Straßen und mehr Objektschutzpunkte forderten ihren Tribut, sagt Richter. "Das hatten wir nach dem 11. September 2001 auch."