Washington. Den Drahtziehern des 11. September soll in New York der Prozess gemacht werden. Das gab US-Justizminister Eric Holder am Freitag bekannt. Die Hinterbliebenen der Opfer kritisieren, dass für die Terroristen somit auch die in der amerikanischen Verfassung verankerten Rechte gelten.
Im Zentrum der Entscheidung standen abstrakte juristische Fragen. Doch wenn es in den USA um die Aufarbeitung der Terroranschläge vom 11. September 2001 geht, sind immer auch Emotionen im Spiel. Die Entscheidung von US-Justizminister Eric Holder, die mutmaßlichen Drahtzieher der Anschläge um Khalid Sheikh Mohammed nach New York holen zu lassen und ihnen dort vor einem ordentlichen Zivilgericht den Prozess zu machen, schürte am Freitag starke Emotionen. Holder sieht darin einen Sieg der Rechtsstaatlichkeit. Hinterbliebene der Opfer sehen eher eine Kapitulation.
Kritiker: Aufwertung der Täter
Die Entscheidung ist ein weiterer Bruch mit dem schwierigen Erbe des früheren Präsidenten George W. Bush. Bushs Regierung hatte die Verdächtigen vor eigens eingerichteten Sonder-Militärtribunalen im Lager Guantanamo aburteilen lassen wollen. Die Angeklagten hatten dort nur eingeschränkte Rechte. Vor dem zivilen Geschworenengericht müssen Khalid Sheikh Mohammed und seine vier Mitverdächtigen behandelt werden wie alle anderen Angeklagten in den USA auch - mit allen in der Verfassung und im Strafprozessrecht verankerten Rechten.
Für Kritiker ist das geplante Zivilverfahren in der Nachbarschaft von «Ground Zero» im New Yorker Gerichtsdistrikt Süd deshalb nichts anderes als eine Aufwertung der Täter. Ed Kowalski, einer der Direktoren der Hinterbliebenenstiftung «9/11 Families for A Secure America», spricht von einer «schrecklichen Entscheidung». Kowalski sagt: «Terroristen und Kriegsverbrecher unter den Schutz der US-Verfassung zu stellen, ist falsch.»
Justizminister Holder bemühte sich, den Eindruck der Milde gegenüber den Verdächtigen zu zerstreuen. «Ich erwarte voll und ganz, dass die Anklage gegen jeden der fünf Angeklagten die Todesstrafe fordert», sagte er in Washington. «Ich versichere dem amerikanischen Volk, dass wir das Verfahren mit größtmöglicher Entschlossenheit vorantreiben.»
Prozess könnte umstrittene Methoden der Bush-Regierung ans Licht bringen
Eines ist bereits klar: Es steht ein höchst spannender Prozess bevor. Die juristischen Folgen von Holders Entscheidung sind dabei kaum absehbar. Denn im Verhandlungssaal wird es nicht nur im die Anschläge und die Schuld der Angeklagten gehen. Es steht zu erwarten, dass die Verteidigung brisante Details ans Licht bringt - die Umstände der Gefangennahme der Verdächtigen, ihr Transfer bei Nacht und Nebel nach Guantanamo, Misshandlungen, gewaltsame Verhörmethoden. Das Verfahren könnte so, ganz nebenbei, über die umstrittenen Methoden der Bush-Regierung bei der Terrorabwehr richten.
Ebendiese Perspektive hat es der Regierung von Präsident Obama so schwer gemacht, die geplanten Militärverfahren abzusagen und durch viel komplexere Zivilprozesse zu ersetzen. Das Gericht wird nun etwa zu klären haben, in wie weit die Erkenntnisse der Militärermittler bei Verhören der Verdächtigen als Beweismaterial genutzt werden können. Denn es steht außer Frage, dass die Behandlung der Verdächtigen gegen rechtstaatliche Grundsätze der USA verstieß.
FBI hatte die Verhörtechnik «Waterboarding» eingeräumt
So räumte die Bundespolizei FBI vergangenes Jahr offen ein, allein den Hauptverdächtigen Mohammed 183 Mal einer Verhörtechnik namens «Waterboarding» unterzogen zu haben. Dabei wird dem Opfer das Gefühl des Ertrinkens vermittelt. Justizminister Holder selbst hatte bei seinem Amtsantritt klargestellt, dass er diese Methode für Folter und damit für verfassungswidrig hält.
Für Präsident Barack Obama ist die Entscheidung also nicht ohne Risiko. Der Streit um die Verhörmethoden könnte das Verfahren schwer belasten. Zudem könnten die Angeklagten versuchen, den Gerichtssaal als Plattform für El-Kaida-Propaganda nutzen. Bereits in seinen Vernehmungen in Guantanamo hatte sich Sheikh Mohammed regelrecht mit der Drahtzieherschaft der Terroranschläge gebrüstet. Zu seinen Mitangeklagten gehören Ramzi Binalshib, der zur Hamburger Zelle um Mohammed Atta zählte, sowie Attas mutmaßlicher Finanzier Mustafa Al-Hawsawi. Weitere Angeklagte sind Sheikh Mohammeds Neffe Ali Abdul-Aziz Ali und der Saudiarabier Walid bin Attash. (afp)