Kabul/Brüssel. Grausame Rache an Wählern in Afghanistan: Die Taliban sollen zwei Menschen die Finger abgeschnitten haben. Die Finger waren als Beweis für die Wahl lila gefärbt. Auch werden immer mehr Unregelmäßigkeiten bei der Wahl bekannt.
Taliban-Kämpfer haben laut Wahlbeobachtern in Afghanistan ihre Drohung wahr gemacht und Wählern die Zeigefinger abgeschnitten. Die Finger waren als Beweis für die Stimmabgabe mit lila Farbe markiert. Zwei Wähler wurden nach Angaben der Stiftung für Freie und Faire Wahlen vom Samstag in der Provinz Kandahar angegriffen, einer Hochburg der Taliban. Gerüchte über so eine brutale Vergeltung kursierten vor der Wahl in ganz Afghanistan. Ein Taliban-Sprecher hatte allerdings erklärt, es werde keine derartigen Angriffe geben.
Die Abstimmung am Donnerstag war von Gewaltanschlägen und Berichten über Unregelmäßigkeiten überschattet. Bei Dutzenden Anschlägen kamen mindestens 26 Zivilpersonen und Sicherheitskräfte ums Leben. Der Kandidat Mirawis Jassini, dem bei der Wahl kaum Chancen eingeräumt wurden, präsentierte am Samstag zahlreiche zerrissene und anderweitig zerstörte Stimmzettel.
Seine Anhänger hätten die für ihn abgegebenen Stimmen nahe der Stadt Spin Boldak in Kandahar gefunden. Sie seien von Wahlmitarbeitern weggeworfen worden, die Amtsinhaber Hamid Karsai unterstützten, sagte Jassini. Die Zettel trugen den Stempel der unabhängigen Wahlkommission, der erst nach erfolgter Abstimmung aufgebracht wird. «Tausende von ihnen wurden verbrannt», fügte der Abgeordnete hinzu.
Der Leiter der Stiftung für Freie und Faire Wahlen, Nader Naderi, sagte, seine Organisation habe beobachtet, dass Wahlbeamte Menschen zur Stimmabgabe für bestimmte Kandidaten gedrängt hätten. Außerdem hätten Beobachter Wähler mit zahlreichen Stimmkarten sowie auch minderjährige Wähler gesehen.
EU fordert transparente Auszählung
Nach der Präsidentenwahl haben die Favoriten, Amtsinhaber Karsai und der frühere Außenminister Abdullah Abdullah, beide erklärt, bei der Auszählung in Führung zu liegen. Erhält keiner der Kandidaten 50 Prozent, kommt es zur Stichwahl. Vorläufige Ergebnisse werden für Dienstag erwartet.
Die EU würdigte die Abstimmung als Sieg für die Demokratie in Afghanistan. Nun müsse die Auszählung der Stimmen mit größter Transparenz erfolgen, forderte die außenpolitische EU-Kommissarin Benita Ferrero-Waldner am Samstag in Brüssel. Es sei sicherzustellen, dass die gewählten Kandidaten während ihrer Amtszeit die volle Unterstützung der Öffentlichkeit genössen.
Die EU hat für die Wahl ein Beobachterteam unter der Leitung von Philippe Morillon in 17 der 34 afghanischen Provinzen entsandt. Der französische Parlamentarier hat vor rund 15 Jahren als General die UN-Truppen während des Krieges in Bosnien-Herzegowina befehligt. Schon dass die Wahl überhaupt stattgefunden habe, sei beachtlich, erklärte die Delegation. Die Abstimmung könne zwar nicht in allen Landesteilen als frei betrachtet werden, sie sei aber anscheinend «gut und fair» verlaufen. (ap)