In Afghanistan wird am Donnerstag ein neuer Präsident gewählt. Esel bringen Urnen für die Stimmzettel in unwegsame Regionen
Berlin. Bernd Mützelburg, der Sonderbeauftragte der Bundesregierung für Afghanistan, redet nicht lange drum herum. „Es werden sehr, sehr schwierige Wahlen”, sagte er gestern in Berlin, „alles andere wäre auch überraschend.”
Das Wichtigste zum morgigen Urnengang auf einen Blick:
Warum eigentlich gucken alle so gespannt auf diese Wahl?
Seit der vorläufigen Entmachtung der Taliban 2001 ist es erst die zweite Präsidentschaftswahl am Hindukusch. Das Ergebnis könnte Aufschluss darüber geben, wie es um den Demokratisierungsprozess bestellt ist.
Wie lauten die Eckdaten dieser Wahl?
17 Millionen Afghanen dürfen wählen, 40 Prozent davon sind Frauen. 35 Kandidaten, darunter zwei Frauen, sind im Kandidaten-Pool. Amtsinhaber Hamid Karsai, der frühere Außenminister Abdullah Abdullah und Ashraf Ghani, einst Finanzminister, gelten laut Umfragen als Favoriten. Rund 7000 Wahllokale werden am Donnerstag bis 16 Uhr Ortszeit 50 000 Wahlurnen bereithalten. Für den Transport in die unwegsamen Regionen des Landes werden unter anderem Hubschrauber und über 3000 Esel eingesetzt.
Wer gewinnt?
Der Kandidat, der die absolute Mehrheit oder 50 Prozent der Stimmen plus eine bekommen hat. Wenn das niemand schafft, wofür laut Umfragen einiges spricht, gibt es sechs Wochen später eine Stichwahl. Das Ergebnis soll spätestens am 17. September vorliegen.
Wie wählt ein Land, in dem zwei Drittel der Menschen nicht lesen und schreiben können?
Jedem Kandidaten ist ein einprägsames Logo auf den Wahlzetteln zugeordnet; etwa ein Flugzeug oder eine Uhr. Für Präsident Karsai steht symbolhaft die Waage.
Wie steht es um die Sicherheit?
Schwierig. Die Bundesregierung rechnet damit, dass zehn Prozent der Wahllokale nicht geöffnet werden können, weil die Taliban und andere Kriminelle mit Anschlägen drohen oder Wähler einschüchtern. Afghanistan setzt am Donnerstag 175 000 eigene Polizei- und Militärkräfte ein, plus 100 000 internationale Soldaten der Nato. Darunter werden auch einige hundert deutsche Soldaten sein, die im Norden des Landes bei Masar-i-Sharif, Kundus und Feysabad stationiert sind.
Was fordern die Taliban?
Den Abzug der ausländischen Truppen, das Ende der Regierung Karsai und die Einrichtung eines „Islamischen Emirats Afghanistan” – zurück ins ideologische Mittelalter also.
Werden es freie Wahlen nach europäischem Demokratiemuster?
Wohl kaum. Zum einen wird die in Teilen des Südens und des Ostens geradezu kriegerische Lage Wahlbeobachtern keine Chance lassen. Zum anderen kündigen die Taliban Straßenblockaden und Bombenanschläge an, um die Wahl zu sabotieren. Die Bundesregierung setzt trotzdem auf den „Mut” der Afghanen, ihr Wahlrecht zu nutzen.
Gibt es Hinweise auf Wahlmanipulation?
Einige. So gibt es plötzlich gegenüber 2004 rund 4,5 Millionen Wahlberechtigte mehr, was die demographische Lage im Land aber nicht abbildet. Um Schmuh und Mehrfach-Stimmen zu verhindern, müssen die Wähler am Donnerstag ihren Daumen in eine nicht-abwaschbare Tinte tunken. Dann wird damit gerechnet, dass Amtsinhaber Karsai die Stimmauszählung in seine Richtung „lenken” könnte. Sein ärgster Konkurrent, Dr. Abdullah Abdullah, sagte in der vergangenen Woche bei einer gut besuchten Wahlkampfveranstaltung in Mazar-I-Sharif: „Ich werde gewinnen, es sei denn, sie stehlen eure Stimmen.” Für diesen Fall rechnet die Bundesregierung mit einer noch instabileren innenpolitischen Lage in Afghanistan.
Was wird außer der Präsidentenwahl entschieden?
Die regionalen Regierungen der 34 afghanischen Provinzen stellen sich ebenfalls zur Wahl. Auf 420 Sitze bewerben sich circa 3200 Kandidaten, zehn Prozent darunter sind Frauen.