Kabul. Überschattet von Anschlägen ist in Afghanistan der künftige Präsident des Landes gewählt worden. Bei Gewalttaten kamen mindestens 26 Menschen ums Leben. Aus allen Landesteilen wurde im Laufe des Tages ein schleppender Wahlverlauf gemeldet. Die Wahlbeteiligung liegt bei nur 40 bis 50 Prozent.

Überschattet von Anschlägen ist in Afghanistan am Donnerstag der künftige Präsident des Landes gewählt worden. Bei den Gewalttaten im ganzen Land kamen mindestens 26 Menschen ums Leben, wie die Sicherheitsbehörden in Kabul mitteilten. Bei den Opfern handele es sich um neun Zivilpersonen, neun Polizisten und acht afghanische Soldaten. Anschläge gab es auch im Norden, wo deutsche Soldaten stationiert sind. Nach der Schließung der Wahllokale begann am Abend die Auszählung der Stimmen unter schwierigen Bedingungen.

Aus allen Landesteilen wurde im Laufe des Tages ein schleppender Wahlverlauf gemeldet. Erst am Nachmittag sei die Beteiligung etwas reger geworden, hieß es. Die Behörden verlängerten die Abstimmung kurzfristig um eine Stunde. Dennoch wurde dem Wahlleiter zufolge höchstens eine Beteiligung von 40 bis 50 Prozent der 15 Millionen registrierten Wähler erzielt. Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier begrüßte es gleichwohl, dass den Taliban eine Verhinderung der Wahl nicht gelungen sei.

In Kandahar, der größten Stadt im umkämpften Süden, gingen allerdings rund 40 Prozent weniger Menschen an die Urnen als bei der ersten direkten Präsidentenwahl vor fünf Jahren. Kandahar gilt als Wiege der islamisch-fundamentalistischen Taliban-Miliz. Diese hatte zum Boykott der Wahl aufgerufen und auch schon in den Tagen davor mehrere blutige Anschläge verübt.

Möglicherweise Stichwahl am 1. Oktober

Präsident Hamid Karsai gab am Morgen seine Stimme in einer Schule ab. Wie alle anderen Wähler ließ er seinen Zeigefinger mit einer wasserunlöslichen Tinte färben, womit eine doppelte Stimmabgabe verhindert werden soll. Der Präsident rief die Bevölkerung erneut zum Wählen auf, «damit Afghanistan durch ihre Stimme sicherer und friedlicher wird».

Im Norden war die Beteiligung offenbar höher als im Süden. Dies könnte Karsais Herausforderer Abdullah Abdullah nutzen. Der ehemalige Außenminister ist nach dem Amtsinhaber der aussichtsreichste unter den insgesamt 36 Kandidaten. Als Sohn eines paschtunischen Vaters und einer tadschikischen Mutter genießt er in Nordafghanistan mehr Zustimmung als im überwiegend paschtunischen Süden.

Sollte kein Kandidat die absolute Mehrheit erringen, wird am 1. Oktober eine Stichwahl erforderlich. Erste Ergebnisse werden am Samstag erwartet.

Der Präsidentschaftskandidat Ramasan Baschardost bezeichnete die Wahl als Farce, weil er die vermeintlich nicht entfernbare Farbe am Finger habe abwaschen können. «Das ist keine Wahl, das ist eine Komödie», sagte Baschardost, dem Umfragen einen Stimmenanteil von zehn Prozent vorhersagten. Bereits in den vergangenen Tagen gab es Gerüchte von falschen Wählerregistrierungen und anderen Unregelmäßigkeiten.

Auch Provinzräte neu zu bestimmen

Über Kabul kreisten am Donnerstag permanent Hubschrauber, die Sicherheitskontrollen wurden nochmals verschärft. Abgesichert wurde die Wahl von rund 175.000 afghanischen Sicherheitskräften sowie mehr als 100.000 ausländischen Soldaten. Neben dem Präsidenten wurde auch die Zusammensetzung der Provinzräte neu bestimmt. Um die 420 Mandate in insgesamt 34 Provinzen bewarben sich 3.197 Kandidaten, darunter 328 Frauen.

Karsai wurde kurz nach dem Sturz des Taliban-Regimes im Herbst 2001 von einer Afghanistan-Konferenz der Vereinten Nationen auf dem Bonner Petersberg zum vorläufigen Regierungschef bestimmt. Im Juni 2002 bestätigte ihn eine große Versammlung von Stammesältesten, die Loja Dschirga, als Übergangspräsident. Die erste landesweite Wahl 2004 gewann der Paschtune dann mit 55,4 Prozent der Stimmen bereits im ersten Wahlgang. (ap)