Kabul. Rund 17 Millionen Afghanen können am heutigen Donnerstag über das neue Staatsoberhaupt abstimmen. Die Präsidentenwahl läuft unter schärfsten Sicherheitsvorkehrungen. Nach Drohungen der Taliban gingen vor allem im Süden des Landes weit weniger Afghanen zur Wahl als vor fünf Jahren.
Unter schärfsten Sicherheitsvorkehrungen läuft am (heutigen) Donnerstag in Afghanistan die zweite Präsidentenwahl in der Geschichte des Landes. Rund 17 Millionen Afghanen konnten über das neue Staatsoberhaupt und die Zusammensetzung der Provinzräte abstimmen. Nach massiven Drohungen der Taliban gingen vor allem im Süden des Landes weit weniger Afghanen zur Wahl als vor fünf Jahren. In Kandahar, der größten Stadt im Süden, sagte ein Regierungsbeamter, sei die Beteiligung etwa 40 Prozent geringer als bei der letzten Präsidentenwahl.
Karsai ist klarer Favorit
Amtsinhaber Hamid Karsai, der als klarer Favorit in das Rennen um das Präsidentenamt ging, appellierte bei der Stimmabgabe in Kabul an seine Landsleute, wählen zu gehen. "Ich fordere die Afghanen auf, aus den Häusern zu kommen und zu wählen, damit Afghanistan durch ihre Stimme sicherer und friedlicher wird", sagte Karsai. Über Kabul kreisten am Donnerstag permanent Hubschrauber, Sicherheitskontrollen waren nochmals verschärft worden.
Auch am Wahltag kam es zu mehreren gewaltsamen Zwischenfällen. In der Hauptstadt Kabul kam es zu mindestens fünf Explosionen. Bei einer mehr als einstündigen Schießerei mit Taliban-Mitgliedern kamen nach Polizeiangaben zwei Selbstmordattentäter ums Leben. Bei einem Anschlag in der Nähe eines Wahllokals wurde ein Wahlbeobachter verletzt. In der Provinz Helmand schlugen mehr als 20 Raketen in der Nähe einer Gruppe von Wählern ein. Dabei wurde in der Provinzhauptstadt Laschkar Gah ein Kind getötet.
Um das Präsidentenamt bemühen sich 36 Bewerber. Sollte Karsai nicht die absolute Mehrheit erringen, müsste er am 1. Oktober in einer Stichwahl voraussichtlich gegen seinen schärfsten Rivalen, den früheren Außenminister Abdullah Abdullah, antreten. Mit vorläufigen Ergebnissen der Abstimmung wurde für Samstag gerechnet.
Geringe Wahlbeteiligung am Morgen
In sechs Wahllokalen der Hauptstadt gab es einem AP-Reporter zufolge am Morgen keine Schlangen. In einer Schule im Osten Kabuls war um 7 Uhr (Ortszeit) alles vorbereitet, nur waren noch keine Wähler zu sehen. Auch ein AP-Reporter in der südlichen Stadt Kandahar berichtete von einem schleppenden Anlaufen des Urnengangs. Möglicherweise wollten viele Afghanen angesichts der Drohungen der Taliban aber auch erst abwarten, ob eine sichere Stimmabgabe gewährleistet ist.
Auch die Provinzräte wurden neu bestimmt. Dabei geht es um 420 Mandate in den 34 Provinzen des Landes. Darum bewerben sich 3.197 Kandidaten, darunter 328 Frauen. Rund 6.800 Wahllokale waren vorgesehen, doch können wegen der kritischen Sicherheitslage voraussichtlich nicht alle öffnen. Vor der Wahl gab es zahlreiche Berichte über Manipulationen und falsche Wählerregistrierungen zugunsten Karsais. Der Amtsinhaber und die Wahlkommission haben diese als unbegründet zurückgewiesen.
Taliban drohen mit Anschlägen
Die Taliban haben mit Anschlägen gedroht und zum Boykott der Abstimmung aufgerufen, um der Wahl die Legitimität streitig zu machen. Abgesichert wird die Wahl von rund 175.000 afghanischen Sicherheitskräften, dazu kommen mehr als 100.000 internationale Soldaten unter NATO- und US-Mandat. In den Tagen vor der Präsidentenwahl war die Zahl der Anschläge massiv gestiegen.
Karsai wurde von der internationalen Gemeinschaft auf der Petersberg-Konferenz bei Bonn bereits kurz nach dem Sturz der Taliban Ende 2001 zum vorläufigen Regierungschef gekürt. Im Juni 2002 bestätigte eine große Versammlung von Stammesältesten, die sogenannte Loja Dschirga, Karsai als Übergangspräsident. Die erste landesweite Wahl 2004 gewann der Paschtune mit gut 55 Prozent bereits im ersten Wahlgang. (ap)
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