Essen. . Der CDU-Politiker Wolfgang Bosbach redet gerne Klartext. Dem Ruhrgebiet wünscht er mehr Geschlossenheit, aber keinen Zentralismus.
Obwohl er nie Minister war, gehört Wolfgang Bosbach zu den bekanntesten Gesichtern des Berliner Politikbetriebs. Der Rheinländer aus Bergisch-Gladbach redet gerne Klartext, was ihm auch in seiner Partei, der CDU, nicht nur Freunde einbrachte.
Ende September gibt Bosbach, der an Krebs erkrankt ist, den Vorsitz im Innenausschuss des Bundestages ab – aus Protest gegen die Griechenland-Politik der Bundeskanzlerin. Andreas Tyrock und Michael Kohlstadt sprachen mit dem politischen Querdenker.
Ihr Parteifreund, Bundestagspräsident Norbert Lammert, hat eine heftige Debatte über das Selbstbild des Ruhrgebiets angestoßen. Geben Sie uns doch von den Höhen des Bergischen Landes eine Ferndiagnose zum Zustand des Reviers.
Wolfgang Bosbach: (lacht) Die Debatte um das Ruhrgebiet gibt es ja schon seit Jahrzehnten. Es gibt kaum eine andere Region in Deutschland, die einen so intensiven Strukturwandel hinter sich hat. Aber das Revier ist nicht die einzige Region, die einen solchen Wandel bewältigen musste. Wenn ich Norbert Lammert richtig verstanden habe, meint er, das Ruhrgebiet brauche ein gesundes Selbstbewusstsein und weniger Kirchturmdenken.
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Nun ja. An gesundem Selbstbewusstsein hat es dem Ruhrgebiet noch nie gefehlt. Und das gilt nicht nur für die sportlichen Erfolge von Dortmund und Schalke, sondern zum Beispiel auch für den Bereich Kultur.
Soll das Ruhrgebiet weiter zusammenwachsen oder nicht?
Bosbach: Weniger Kirchturmdenken, weniger kommunale Egoismen, mehr Gemeinschaft – diese Wünsche kann ich gut verstehen. Aber zu glauben, dass es eine einzige, große kommunale Einheit geben könnte, eine Verwaltungseinheit Ruhrgebiet in einem Ballungsraum von 5,2 Millionen Einwohnern, das halte ich nicht für realistisch.
Warum nicht?
Bosbach: Die einzelnen Städte des Reviers sind zu eigenständig, als dass sie bereit wären, zentrale Kompetenzen abzugeben an eine Supermetropole Ruhrgebiet. Das Ruhrgebiet ist auch so das Zentrum NRWs. Aber ich brauche keine Fünf-Millionen-Metropole, um die Stärke des Reviers abzubilden, sondern gute Kooperation beispielsweise in der Gebietsentwicklung und eine größere Geschlossenheit. Die wird aber nicht unbedingt durch große Einheiten hergestellt.
Die Städte geraten mit der Versorgung der vielen Flüchtlinge an ihre Grenzen. Überfordert der Flüchtlingsstrom Staat und Gesellschaft?
Bosbach: Wir sind in hohem Maße gefordert, aber überfordert noch nicht, zumal wir eine überraschend große Hilfsbereitschaft vieler Bürger unseres Landes gegenüber Flüchtlingen insbesondere aus Kriegs- und Krisengebieten erleben.
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Die andere Frage ist, ob wir eine in diesem Ausmaß möglicherweise über Jahre anhaltende Zuwanderung auf Dauer verkraften können. Da bin ich skeptisch. Vieles, was die Kommunen zur Zeit in puncto Unterbringung machen, geschieht in einer Art Notwehr, weil sie sich anders nicht zu helfen wissen.
Die Kommunen brauchen also dringend mehr Unterstützung?
Bosbach: Ja! Die Versorgung und Integration der Flüchtlinge ist eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe. Bei der klassischen Aufgaben- und Finanzverteilung kann es so nicht mehr bleiben. Der Bund hat seine ursprüngliche Hilfe für die Kommunen zwar auf zwei Milliarden Euro verdoppelt. Trotzdem sind wir noch weit von dem entfernt, was Bund und Länder zusätzlich tun müssen. Die Kommunen sind längst an der Grenze ihrer Leistungsfähigkeit angelangt.
Was muss konkret geschehen?
Bosbach: Wir haben 16 Bundesländer und damit 16 unterschiedliche Regelungen, wie viel finanzielle Hilfe für die Unterbringung von Flüchtlingen bei den Kommunen ankommt. Das führt zu der völlig unbefriedigenden Situation, dass Bayern den Kommunen die Kosten zu 100 Prozent erstattet, NRW noch nicht einmal zur Hälfte.
Was macht der Politiker Bosbach, wenn er nicht mehr Innenausschussvorsitzender ist?
Bosbach: Ganz normale Abgeordnetenarbeit. Ich bleibe auch im Innenausschuss. Ob ich mich zur Bundestagswahl 2017 noch einmal zur Wahl stelle, entscheide ich gemeinsam mit den zuständigen Parteigremien Ende 2016 zu Hause. Diese Entscheidung muss ich mir ganz gründlich überlegen. Schließlich geht es wieder um vier Jahre, und halbe Sachen mache ich nicht.