Essen. . Die Kritik von Bundestagspräsident Lammert an der Attitüde des Ruhrgebiets hat heftige Reaktionen ausgelöst - und die meisten sind nicht positiv.
Die Worte waren provokant gewählt. Bundestagspräsident Norbert Lammert (CDU) hatte im Interview mit dieser Redaktion kritisiert, das Ruhrgebiet pflege die „Lebenslüge“ von einer unzureichenden Förderung. Das löste nun heftige Reaktionen aus. Fritz Pleitgen, Chef-Organisator der Kulturhauptstadt Ruhr 2010, sprach von einem „Weckruf“ für die Region. „Wir im Ruhrgebiet können tatsächlich nicht behaupten, dass wir nicht viele Subventionen bekommen hätten. Der Staat hat uns nicht sitzen lassen“, sagte Pleitgen dieser Redaktion.
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„Lammert verkennt die Realitäten“, meinte hingegen Karola Geiß-Netthöfel, die Direktorin des Regionalverbandes Ruhr (RVR). Sie erinnerte an die hohen Belastungen für die Region durch den Strukturwandel, durch Sozialkosten und zuletzt den Zuzug von Flüchtlingen. Geiß-Netthöfel geht davon aus, dass die Aufwertung des RVR zu mehr Zusammenarbeit an der Ruhr führen wird. Mülheims Oberbürgermeisterin Dagmar Mühlenfeld (SPD) sieht den Bund in der Pflicht, dem Revier zu helfen: „Den Weg aus den Schulden können die hochverschuldeten Kommunen nicht allein schaffen. Finanzhilfen des Bundes müssen sich an der Bedürftigkeit orientieren.“
Bürger sollten einen Repräsentanten direkt wählen können
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Lammert unterstrich am Donnerstag, dass er nicht meine, das Revier brauche keine Unterstützung: „Das Ruhrgebiet bekommt die Hilfe, die es für den Strukturwandel braucht. Es kann aber nicht behaupten, es leide unter mangelnder Förderung.“
Der zweite große Kritikpunkt Lammerts schlug ebenso hohe Wellen. In den Kommunen sei, so Lammert, die „Einsicht nicht hinreichend ausgeprägt, dass man sich im 21. Jahrhundert nur gemeinsam behaupten kann“. Eine ganz andere Selbstorganisation der Region sei nötig.
Gelsenkirchens Oberbürgermeister Frank Baranowski (SPD) reagierte energisch: „Er macht es sich zu leicht. Das könnte eine Lammert’sche Lebenslüge sein: Die Zusammenarbeit wird es schon richten.“ Probleme wie die in Duisburg- Marxloh könnten durch mehr Zusammenarbeit allein nicht gelöst werden. Baranowski verurteilte Lammerts Positionen: „Das ist die Sicht aus der Käseglocke Berlin.“
Ute Günther aus dem Vorstand des Vereins Pro Ruhrgebiet stimmte Lammert hingegen „zu 100 Prozent zu“. Die fehlende Einheit der Region sei ein wichtiges Thema für den Verein. Es würde dem Ruhrgebiet auch gut tun, wenn seine Bürger einen Repräsentanten direkt wählen könnten.