Berlin. . Bundesweite Vergleichsstudie sieht Personalknappheit in der Kinderbetreuung. In NRW sind mehr als die Hälfte der Berufseinsteiger befristet beschäftigt

Marie muss gewickelt werden, Ben hat sich wehgetan, Anna und Jonas streiten in der Sandkiste: In deutschen Kitas betreut eine Erzieherin mit Vollzeitjob im Durchschnitt 4,4 Kleinkinder gleichzeitig – und damit immer noch zu viele, wie Experten beklagen.

Zwar hat sich der Personalschlüssel in den Kitas über die letzten zwei Jahre leicht verbessert, doch die Belastung für Kinder und Fachkräfte ist nach wie vor hoch, wie der aktuelle „Ländermonitor Frühkindliche Bildungssysteme“ der Bertelsmann-Stiftung zeigt. Familienministerin Manuela Schwesig (SPD) bekräftigte gestern ihre Forderung, die frei werdenden Millionen aus dem Betreuungsgeld für die Verbesserung der Kita-Qualität einzusetzen.

Kein Bundesland ist vorbildlich

„Die Entwicklung geht in die richtige Richtung“, sagte Schwesig. Der Ländermonitor zeige aber auch eindrücklich, „dass wir bei der Qualität der Kindertagesbetreuung noch einen längeren Weg vor uns haben.“ Bislang erreicht kein einziges Bundesland, was Experten fordern: Bei den Unter-Dreijährigen sollte sich eine Vollzeit-Erzieherin um höchstens drei Kleinkinder mit Ganztagsplatz kümmern. Bei den älteren Kindern werden Personalschlüssel von mindestens eins zu 7,5 empfohlen – tatsächlich liegt der Durchschnitt heute bei 9,5 Kindergartenkindern pro Fachkraft.

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Im Osten kümmern sich die Erzieherinnen um deutlich mehr U3-Kinder als im Westen, auch bei den älteren Kindern sind die Personalschlüssel in den alten Ländern im Durchschnitt besser als in den neuen. Nordrhein-Westfalen liegt bei den Unter-Dreijährigen im Durchschnitt der westdeutschen Länder: An Rhein und Ruhr betreut eine Vollzeit-Erzieherin durchschnittlich 3,6 Krippenkinder oder 9,5 Kindergartenkinder. In beiden Altersgruppen haben sich die Personalschlüssel seit 2012 leicht verbessert.

Im Vergleich zu anderen Bundesländern fiel NRW allerdings trotz der eigenen Verbesserungen zurück. Länder wie Baden-Württemberg, Rheinland-Pfalz und Hamburg hatten laut Bertelsmann-Studie in den vergangenen zwei Jahren deutlich mehr in die Betreuungsqualität investiert.

Probleme bei Arbeitsverträgen

Im Alltag sieht die Lage in den deutschen Kitas allerdings noch deutlich schlechter aus, als die Personalschlüssel anzeigen: Erzieherinnen werden krank oder fallen für die Kinderbetreuung aus, weil sie Zeit für Elterngespräche, Dokumentation und Fortbildung brauchen. Laut Ländermonitor geht den Erzieherinnen auf diese Weise ein Viertel ihrer Zeit fürs Spielen und Vorlesen, Füttern und Wickeln verloren. In NRW werden im Kita-Alltag fast fünf U3-Kinder von einer Fachkraft betreut – bei den Kindern über drei Jahren sind es sogar mehr als zwölf.

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Probleme sieht der Ländermonitor auch bei den Arbeitsverträgen des Kita-Personals: Bei den Berufseinsteigern unter 25 Jahre sind bundesweit 40 Prozent aller Verträge befristet. Besonders schlechte Noten bekommt hier NRW: Mit 58 Prozent haben mehr als die Hälfte der ausgebildeten Fachkräfte unter 25 Jahren an Rhein und Ruhr einen befristeten Vertrag. In keinem anderen Bundesland ist die Befristungsquote für diese Altersgruppe ähnlich hoch. Auch bei den Erzieherinnen, die als Inklusionskräfte vor allem Kinder mit Behinderung betreuen sollen, hat fast jede Dritte nur einen Zeitvertrag. In NRW betrifft das sogar fast die Hälfte.

Zusätzliches Geld für Personal

NRW-Familienministerin Ute Schäfer (SPD) verweist in diesem Zusammenhang darauf, dass die Gestaltung der Arbeitsverträge vorrangig Angelegenheit der Träger sei. „Aber wir setzen uns für sichere Beschäftigungsbedingungen ein und wollen die Träger hierbei besser unterstützen.“

Insgesamt zeigte sie sich mit der Auswertung zufrieden: Im U3-Bereich liege NRW auf einem der oberen Plätze und im Über-Drei-Bereich „im guten Mittelfeld“. Sie verweist darauf, dass NRW im laufenden Kindergartenjahr über 260 Millionen Euro für zusätzliches Personal zur Verfügung stellt. Das Gesamtbudget für frühkindliche Bildung habe sich seit 2010 auf zwei Milliarden Euro fast verdoppelt.