Essen. . Erzieherinnen und Sozialarbeiter im Ruhrgebiet finden den Schlichterspruch ungerecht. Ihr Zorn richtet sich gegen kommunale Arbeitgeber und gegen Berlin.

„Ungerecht“ und „unzureichend“ – Wenn man in diesen Tagen mit Erzieherinnen und Sozialarbeitern über die gescheiterte Schlichtung spricht, werden diese Worte oft bemüht. Das Ergebnis der Mitgliederbefragung der Gewerkschaften zum Schlichterspruch – die satte 70-Prozent-Ablehnung – drückt eine tief sitzende Unzufriedenheit aus.

Werner Flügel, Sozialarbeiter aus Essen und Verdi-Mitglied, hat vier Wochen lang gestreikt. Weil er sich voll mit dem Ziel identifiziert, das seine Gewerkschaft verfolgt: eine echte, eine auch finanziell spürbare Aufwertung der Erzieher- und Sozialberufe. Entsprechend ernüchtert ist Flügel beim Blick auf den Schlichterspruch. „Bei uns steht da jetzt eine schwarze Null“, stellt er fest. Heißt: Es ist für ihn keine Gehaltserhöhung in Sicht. Vier Wochen Streik für gar nichts?

Es ist nicht nur ein Kita-Streik

Der laufende Arbeitskampf wird oft auf den Begriff „Kita-Streik“ reduziert. Aber das trifft es nicht. Denn die Auseinandersetzung betrifft neben den Erzieherinnen auch städtische Sozialarbeiter, Betreuer in Offenen Ganztagsschulen, Menschen, die sich um Flüchtlinge und Behinderte kümmern und viele andere Arbeitnehmer.

Der Schlichterspruch vom Juni mit Lohnerhöhungen zwischen 2 und 4,5 Prozent hinterlässt Gewinner und Verlierer. Zu den Verlierern zählen Sozialpädagogen und Sozialarbeiter wie Werner Flügel. „Das ist ein sehr uneinheitlicher Vorschlag“, findet er. „Manche Arbeitnehmer, zum Beispiel Erzieherinnen in Leitungsfunktion, sollen ein deutliches Gehaltsplus bekommen, andere aber nicht. Ich werte das als eine Art Spaltungsversuch.“

„Es kränkt, dass wir Sozialarbeiter praktisch gar nicht berücksichtigt werden“, erklärt ein Kollege von Flügel aus dem Ruhrgebiet, der namentlich nicht genannt werden möchte. In dem Ergebnis der Mitgliederbefragung spiegele sich die Stimmung unter den Kollegen.

Höchstens 60 Euro mehr

Von „Ungerechtigkeit“ sprechen auch viele Erzieherinnen. „Der Vorschlag führt doch nicht zu einer Aufwertung unseres Berufs, sondern für die meisten nur zu einer minimalen Gehaltserhöhung“, ärgert sich Petra Zahn, Erzieherin aus Essen und Mitglied in der Fachgewerkschaft Komba in NRW. Die Gewerkschaften haben ausgerechnet, dass das Gros der Erzieherinnen höchstens 60 Euro mehr bekäme. Die vielen Terilzeitkräfte müssten sich sogar mit viel weniger zufrieden geben.

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Von der „kompromisslosen Haltung“ der kommunalen Arbeitgeber ist Petra Zahn bitter enttäuscht. Übrigens auch von manchen Politikern, die öffentlich mehr Wertschätzung für die Sozialberufe einfordern und gleichzeitig die Anforderungen in genau diesen Berufen immer weiter erhöhen. „Familienministerin Manuela Schwesig plant ja jetzt auch noch 24-Stunden-Kitas“, wundert sich Petra Zahn.

Immer mehr Anforderungen

Werner Flügel meint: „Wenn sich die Bundesregierung immer neue Anforderungen an die sozialen Berufe ausdenkt, dann muss sie auch die Verantwortung dafür überrnehmen und bessere Bezahlung und Arbeitsbedingungen ermöglichen.“ Ziel sei es nun nicht, geradewegs in den nächsten, langen Arbeitskampf zu schlittern.

Aber der Ton wird mancherorts schon wieder schärfer. „Die Bereitschaft zum Streik ist groß. Wir sind bereit“, sagt Petra Zahn.