Essen. Homosexualität, Scheidung und zweite Ehe führten häufig zu Kündigungen, wenn der Arbeitgeber die katholische Kirche war. Damit ist ab jetzt Schluss.

Es traf beliebte Kindergärtnerinnen ebenso wie den renommierten Chefarzt – das sehr eigene Arbeitsrecht der katholischen Kirche hat vielen Mitarbeitern die Kündigung beschert, weil sie nicht so lebten, wie die reine Sittenlehre Roms es vorsieht. Scheidungen, zweite Ehen und offene Homosexualität gehören zwar nicht erst seit gestern zur weltlichen Lebenswirklichkeit, doch bis heute gelten sie als unvereinbar mit dem Dienst am Nächsten in der katholischen Kirche und ihrem Wohlfahrtsverband Caritas. Doch am Samstag ändert sich das für die meisten der 700.000 Mitarbeiter: Zum 1. August tritt ein neues Arbeitsrecht in fast allen Bistümern Deutschlands in Kraft.

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Die im Mai von den Bischöfen beschlossene neue „Grundordnung des kirchlichen Dienstes“ entschärft die bisherigen Regeln deutlich. In NRW wird sie flächendeckend umgesetzt, allein drei Bistümer in Bayern halten an der viel kritisierten alten Grundordnung fest. Dabei verlangt auch die neue, dass Mitarbeiter im Dienste der Kirche nach deren Sittenlehre leben. Doch die Konsequenzen für „Loyalitätsverstöße“ werden abgemildert. Für Mitarbeiter etwa in Kindergärten, Pflegeheimen oder Kliniken sind die Wiederheirat oder eine homosexuelle Lebenspartnerschaft nach wie vor nicht gern gesehen, aber keine zwingenden Kündigungsgründe mehr.

Atmosphäre der Angst

Die Interpretationen in den Bistümern haben durchaus ein Begeisterungs-Gefälle. Während das neue Arbeitsrecht in Köln eine „behutsame“ Reform genannt wird, spricht Monsignore Klaus Pfeffer, Generalvikar des Bistums Essen, von einem „großen Schritt“. Er betont: „Wir wollen weiterhin Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die unseren Glauben teilen und auch die katholischen Überzeugungen in ihrem persönlichen Alltag leben. Doch gerade in moralischen Fragen ist das schwer zu messen. Zudem kann und darf die Morallehre nicht mit dem Arbeitsrecht durchgesetzt werden.“

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Der alte Kündigungsautomatismus habe eine Atmosphäre der Angst unter den Mitarbeitern geschaffen. „Das führte noch vor einigen Jahren teilweise zu absurdem Verhalten, etwa dass Mitarbeiter in sogenannter ,wilder Ehe’ sich ein zweites Telefon anschafften.“ Das ändere sich nun und sei „ein großer Schritt zur Versöhnung von Arbeitsrecht und der Lebenswirklichkeit unserer Mitarbeiter“.

Kündigungen sollen künftig die Ausnahme sein, betont Pfeffer. Statt des Automatismus gebe es eine Einzelfallprüfung. Laut neuer Grundordnung müssten für eine Kündigung mit dem „Loyalitätsverstoß“ weitere schwer wiegende Umstände verbunden sein, etwa wenn eine zweite Ehe zu „einem Ärgernis in der Dienstgemeinschaft oder in der Öffentlichkeit“ führe. Dazu sagt der Generalvikar: „So etwas gibt es heute gar nicht mehr. Wenn es zuletzt Ärger gab, dann richtete sich dieser eher gegen die unverhältnismäßige Strenge der Kirche, aber kaum gegen die betroffenen Mitarbeiter.“

Gotteslästerung weiterhin Kündigungsgrund

Für den „engeren Verkündungsdienst“, Priester und Diakone, aber auch Gemeinde- und Pastoralreferenten, gelten nach wie vor die alten Regeln. Kündigungsgründe für alle bleiben etwa Gotteslästerung oder der Kirchenaustritt. Grundsätzlich kann die Kirche auch Nichtgläubige, evangelische Christen und Muslime einstellen. Wer sich aber als Katholik gegen seinen Glauben stelle, so Pfeffer, könne nicht mehr glaubwürdig der Kirche dienen, der er den Rücken kehre.

Neben dem individuellen wird auch das kollektive Arbeitsrecht zumindest etwas offener. Es bleibt beim „dritten Weg“, der Streiks ausschließt und auf Konsens der Dienstgeber- und Dienstnehmerseite beruht. Nach einem Urteil des Bundesarbeitsgerichts musste die Kirche aber den Gewerkschaften Zugang zu den Verhandlungen einräumen. Nun erhalten Gewerkschafter Sitze in den arbeitsrechtlichen Kommissionen. Verdi hält das für unzureichend, Gewerkschaftschef Frank Bsirske sprach von „vordemokratischen Zuständen“.