Düsseldorf/Essen. . Bett oder Bank – viele Menschen entscheiden sich gegen den Gottesdienst am Sonntagmorgen. Beide Kirchen denken jetzt über Alternativen nach.
Es ist ja nicht so, dass die Kirchen sich nicht bemühten, ihr Angebot attraktiver zu gestalten. Für die Protestanten in Westfalen etwa gibt es Familiengottesdienste in Kindergärten oder besonders gestaltete Schulgottesdienste. Die rheinische Landeskirche wiederum lässt wissen, man erprobe „immer wieder alternative Formen und Zeiten“ für die Gottesdienste, beispielsweise in Unternehmen oder samstägliche Bibelstunden speziell für Kinder. „Das ist für uns nicht neu“, so ein Sprecher.
Neu ist das Problem auch nicht für die Katholische Kirche. Hier versucht man – beispielsweise in Essen, Bochum oder Oberhausen – mit „Ü30-Gottesdiensten“ die Mitglieder zu aktivieren. Im Juni will das Ruhrbistum Essen bei einem „Zukunftsforum“ mit 800 Gästen diskutieren, was sonst noch möglich ist.
Bankreihen am Sonntagvormittag spärlich gefüllt
So erfolgreich einzelne Ansätze vor Ort sein mögen – den großen Trend haben sie weder bei Protestanten noch bei Katholiken gedreht: In vielen Kirchen sind die Bankreihen an den Sonntagvormittagen nur sehr spärlich gefüllt.
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Bei den Evangelischen Kirchen im Rheinland und in Westfalen lagen die letzten Zählungen im Jahr 2013 zwischen 2,5 und vier Prozent – obwohl die Stichproben auch an besucherträchtigen Feiertagen wie Heiligabend oder Erntedank angesetzt waren.
Sonntagvormittag ein hoher Wert
Bei den Katholiken sieht es nicht viel besser aus. Die Deutsche Bischofskonferenz meldet für 2013 eine durchschnittliche Quote von gerade einmal 10,8 Prozent der Gläubigen in den Gottesdiensten und Heiligen Messen. Das Bistum Essen liegt mit knapp neun Prozent noch darunter.
Zeit also, den Sonntag als klassischen Gottesdienst-Tag zur Disposition zu stellen?
Das nun auch wieder nicht, heißt es in den Kirchenzentralen. Selbst die westfälische Präses Annette Kurschus, die die Debatte mit ihrem Vorstoß, man müsse „über den Sonntagmorgen neu nachdenken“, anfachte, mahnt zur Vorsicht: „Der Sonntagvormittag als Zeit für den Gottesdienst ist ein hoher Wert, an dem wir uns weiterhin ausrichten.“
„Immer noch mehr als in den Stadien“
Und Jens Peter Iven, Sprecher der Rheinischen Landeskirche, mahnt, der sonntägliche Gottesdienst dürfe trotz aller Alternativangebote „nicht hinfällig“ werden. „Viele Gläubige kommen damit gut zurecht. Wir haben in Deutschland an Sonntagen immer noch mehr Besucher in den Kirchen als samstags in den Stadien der Fußball-Bundesliga.“
Vom Sonntag lassen – das kann man sich auch bei der Katholischen Kirche nicht vorstellen. „Der Sonntag ist der zentrale Tag, um in Gemeinschaft den Gottesdienst zu feiern“, betont Ulrich Lota, Sprecher des Ruhrbistums in Essen.
Schleichender Prozess seit Jahrzehnten
Die Frage ist, ob das Wegbleiben der meisten Kirchenmitglieder tatsächlich mit der Vorliebe fürs sonntägliche Ausschlafen allein zu erklären ist. Die Studie eines Münsteraner Religionswissenschaftlers, die in dieser Woche vorgestellt wird, kommt jedenfalls zu dem Schluss, dass es wohl um mehr geht. „Der Bedeutungsrückgang ist ein sehr langsamer, schleichender Prozess, der schon seit Jahrzehnten andauert“, bilanziert Detlef Pollack, Autor der Studie „Religion in der Moderne“.
Grund für diese Entwicklung ist laut Pollack „weniger Unzufriedenheit als vielmehr Gleichgültigkeit gegenüber Religionsausübung“. Die Kirchen seien der „Abwendung von Gläubigen häufig machtlos ausgeliefert“.