Essen/Münster. . Die Bistümer Essen und Münster sind geschockt von der hohen Zahl der Austritte. Die Strategie der Öffnung bringt noch nicht die erhoffte Wende.

Der neue Höchststand bei den Kirchenaustritten hat die katholische Kirche schwer getroffen. Und die Verantwortlichen finden klare Worte. Der Kirche werde durch die Zahlen „schonungslos vor Augen geführt, wie sehr wir uns von weiten Teilen unserer Gesellschaft entfernt haben“, befand Klaus Pfeffer, als Generalvikar im Ruhrbistum Essen zweiter Mann hinter Bischof Franz-Josef Overbeck.

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Von Walter Bau

Viele Menschen verstünden nicht mehr, welche Bedeutung Glaube und Kirche für ihr persönliches Leben und für die Gesellschaft haben könnten, so Pfeffer. Die Kirche müsse sich nun „mit noch größerer Selbstkritik hinterfragen“.

Das großstädtisch geprägte Ruhrbistum mit ausgeprägter Fluktuation der Einwohnerschaft und einem relativ hohen Anteil muslimischer Bevölkerung ist in besonderem Maße von dem Bindungsverlust an die katholische Kirche betroffen. Zwar betont Pfeffer, man wolle „eine Kirche sein, die in unserer Region interessant und berührend ist für alle Menschen“. Doch der Trend ist ein anderer.

Abwendung von der Kirche nicht allein ein Phänomen der Großstadt

Als das Bistum den vom Vatikan verfassten Fragebogen zum umstrittenen Familienbild der Kirche ins Internet stellte, füllten gerade einmal 17 der knapp 820. 000 Katholiken im Bistum den Bogen aus. Dabei rückt gerade Ruhrbischof Overbeck immer mehr von der Ausgrenzung Homosexueller oder Geschiedener durch die Amtskirche ab.

„Jede und jeder, der an den christlichen Gott glaubt, soll bei uns ihren und seinen Platz finden“, betonte auch Generalvikar Pfeffer. Den erhofften Effekt hat diese Öffnung noch nicht gebracht.

Doch die Abwendung von der Kirche ist nicht allein ein Phänomen der Großstadt. Selbst in stark katholischen, eher ländlich geprägten Bistümern wie Münster und Paderborn gehen die Austrittszahlen deutlich nach oben.

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So räumt der Münsteraner Bischof Felix Genn ein, dass er den Höchststand der Austrittswelle hinter sich geglaubt hatte. „Dass die Zahlen nun noch einmal gestiegen sind“, so Genn, „ist sehr schmerzhaft.“

Genn sieht auch sein Bistum mit den mehr als 11 .000 Austritten im vergangenen Jahr „in massiven Veränderungsprozessen: Der individuelle Wertewandel geht an der traditionellen Volkskirche nicht spurlos vorbei“. Auch in der katholischen Hochburg Münster sehe sich die Kirche mit einer „durch und durch säkularisierten Gesellschaft“ konfrontiert.

Geist von Franziskus nicht spürbar

Ähnlich sieht es der Generalvikar des Erzbistums Köln, Dominik Meiering: „Der Kirchenaustritt ist nur der letzte Schritt auf einem langen Weg, auf dem einem Menschen die Kirche immer fremder wird. Wer in der Kirche keine Heimat mehr hat, dem fällt es leichter, bei einem akuten Anlass förmlich den Austritt zu erklären.“

Die Laienorganisation „Wir sind Kirche“ sieht die Amtskirche gefordert. „Der Geist von Franziskus ist noch nicht so in Deutschland spürbar, wie es sein müsste“, sagte deren Sprecher Christian Weisner: „Diese Kontrollwut, wie wir sie auch von Papst Benedikt erlebt haben – das muss vorbei sein.“