Athen. Fast einen kompletten Tag lang hat das griechische Parlament über das zweite Reformpaket diskutiert. Am Ende stimmte die große Mehrheit dafür.

Es war wieder eine schwere Geburt: 17 Stunden lang debattierten die Abgeordneten des griechischen Parlaments, dann ließen sie, Donnerstag Früh gegen 4 Uhr, das zweite Spar- und Reformpaket passieren.

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Mit der Zustimmung des Athener Parlaments zum zweiten Spar- und Reformpaket öffnet sich die Tür zu Verhandlungen über ein neues Rettungsprogramm für Griechenland. Sie sollen am heutigen Freitag beginnen. Aber Premierminister Alexis Tsipras kann nicht aufatmen.

Stolze Mehrheit für den Gesetzentwurf

230 Ja-Stimmen im 300 Sitze zählenden Parlament – das ist eine stolze Mehrheit für den Gesetzentwurf. Er beinhaltet eine Reform der Zivilprozessordnung, mit der Gerichtsverfahren beschleunigt werden sollen, und die vorzeitige Übernahme der EU-Richtlinie zur Abwicklung notleidender Banken, die eigentlich erst am 1. Januar 2016 in Kraft treten sollte.

Aber wie schon bei der Abstimmung über das erste Steuer- und Rentenpaket vor einer Woche kam die Vorlage nur durch, weil drei proeuropäische Oppositionsparteien dafür stimmten. In Tsipras’ Regierungsfraktion dagegen gab es Widerstand.

Nachdem vergangene Woche 39 Abgeordnete des Linksbündnisses Syriza der Regierung die Gefolgschaft verweigerten, waren es diesmal 36 Abweichler. Dabei hatte Premier Tsipras vor der Abstimmung zwei besonders kontroverse Kapitel – die Abschaffung von Steuerprivilegien für Landwirte und weitere Einschränkungen bei den Früh-Verrentungen – aus der Gesetzesvorlage gestrichen.

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Tsipras kann nach dem Parlamentsvotum nur kurz Luft holen. Der Regierung und seinem Linksbündnis Syriza steht ein politisch heißer Sommer bevor. Die nun beginnenden Verhandlungen mit der EU-Kommission, dem Internationalen Währungsfonds (IWF) und der Europäischen Zentralbank (EZB) über das dritte Rettungsprogramm müssen mit Hochdruck geführt werden.

Das Paket muss spätestens bis zum 20. August geschnürt sein, denn dann muss Athen 3,2 Milliarden Euro an die EZB zurückzahlen. Dazu braucht das Land frische Hilfskredite. Doch die werden mit weiteren Spar- und Reformauflagen verbunden sein. Das dürfte zu neuen Konflikten innerhalb der Regierungspartei führen.

Tsipras' Syriza-Partei ist tief gespalten

Syriza ist tief gespalten und droht am Streit um das Sparprogramm zu zerbrechen. Tsipras verteidigte seinen Kurs: „Wir sind einen schwierigen Kompromiss eingegangen, um die extremsten Pläne der extremsten Kreise in Europa abzuwenden.“

Konservative Kreise in Europa versuchten weiter, Griechenland aus dem Euro zu drängen. „Wir müssen ein Programm umsetzen, das uns aufgezwungen wurde und an das wir nicht glauben, aber wir haben keine Wahl“, sagte der Premier und appellierte an die Abgeordneten, „sich der neuen Realität anzupassen“.

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Tsipras hatte bereits vergangene Woche bei einer Kabinettsumbildung führende Vertreter des linksextremen Syriza-Flügels aus der Regierung entfernt. Zu einer immer gefährlicheren Gegenspielerin für den Premier wird jetzt Parlamentspräsidentin Zoi Konstantopoulou. Sie rief im Parlament zum Widerstand gegen die Politik der Regierung auf und bezeichnete die Verabschiedung des Sparpakets im Eilverfahren als verfassungswidrig.

Konstantopoulou warf den Geldgebern Griechenlands vor, einen „Putsch“ zu inszenieren, die Regierung zu erpressen und die parlamentarische Demokratie in Griechenland aushebeln zu wollen.

Tsipras erwägt nun offenbar vorzeitige Wahlen im Herbst. Aber fraglich ist, ob es bis dahin Syriza in der heutigen Zusammensetzung überhaupt noch geben wird.