Berlin. Das Bundesverfassungsgericht hat geurteilt: Die “Herdprämie“ verstößt gegen das Grundgesetz – die Länder sind zuständig, nicht der Bund.
Die rot-grüne Regierung in Nordrhein-Westfalen plant nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts gegen das Betreuungsgeld keine landeseigene Prämie. Solche Überlegungen gebe es nicht, sagte ein Sprecher des NRW-Familienministeriums am Dienstag auf Anfrage der Deutschen Presse-Agentur in Düsseldorf. Bayern will dagegen weiter Betreuungsgeld zahlen.
Die Verfassungsrichter kippten am Dienstag das 2013 auf Betreiben der CSU eingeführte Betreuungsgeld. Nicht der Bund, sondern die Länder seien für die Leistung zuständig, entschied das Gericht am Dienstag in Karlsruhe. Damit hatte eine Klage Hamburgs Erfolg (Az.: 1 BvF 2/13).
NRW will Geld stattdessen in Kitas stecken
Die Landesregierung wolle das Geld künftig lieber in den Ausbau und die Verbesserung des Betreuungsangebots investieren, teilte Ministerin Ute Schäfer (SPD) mit. Nötig sei eine bessere Personalausstattung in den Kindertageseinrichtungen. Die SPD-Politikerin empfahl aber, das Betreuungsgeld nicht unmittelbar auszusetzen, sondern den bisherigen Beziehern Vertrauensschutz zu gewähren und die Bezüge auslaufen zu lassen. Diese Entscheidung haben die Richter dem Bund überlassen.
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Eltern, die ihr Kleinkind zu Hause lassen und nicht in eine Kita oder zu einer Tagesmutter schicken, können monatlich 150 Euro erhalten bis das Kind drei wird. In NRW nahmen nach Angaben des Familienministeriums im ersten Quartal dieses Jahres rund 106 000 Eltern die Leistung in Anspruch. Im vergangenen Jahr lag NRW nach Zahlen des Statistischen Bundesamts mit 85 326 von bundesweit über 386 000 Beziehern knapp hinter Bayern (85 683) auf Platz 2 im Ländervergleich.
SPD und Grüne hatten das Betreuungsgeld von Anfang an als "Herd-Prämie" geschmäht. Die stellvertretende Ministerpräsidentin und Schulministerin Sylvia Löhrmann freute sich über das Urteil. "Die Anti-Bildungsprämie Betreuungsgeld ist vom Tisch", kommentierte sie "die Klatsche aus Karlsruhe". Stattdessen sollte der Bund lieber wieder die Schulsozialarbeit finanzieren, forderte die Grüne. "Das wäre ein Beitrag zu mehr Bildungsgerechtigkeit."
SPD nennt Urteil "krachende Ohrfeige" für Seehofer
Grünen-Landeschef Sven Lehmann bekräftigte: "Bisher blockiert das Betreuungsgeld allein für NRW jährlich rund 200 000 Millionen Euro an Haushaltsmitteln." Damit könnten über 4000 neue Erzieherstellen finanziert werden.
Die NRW-SPD sieht das Urteil als "krachende Ohrfeige" für Bayerns Regierungschef Horst Seehofer (CSU) und kündigte an, darauf zu achten, "dass die CSU nicht erneut unverhältnismäßig und unsachgemäß Steuermittel des Bundes gen Süden abzweigen lässt". (dpa)
Bayern will Betreuungsgeld weiterhin zahlen
Bayern will die Familienleistung in Eigenregie weiterzahlen - und fordert dafür das Geld vom Bund. Das Betreuungsgeld werde es für bayerische Familien in jedem Fall auch in Zukunft geben, kündigte Ministerpräsident Horst Seehofer am Dienstag nach einer Klausur des bayerischen Kabinetts in St. Quirin am Tegernsee an.
Seehofer verlangt Geld vom Bund
Das Geld dafür müsse der Bund den Ländern zur Verfügung stellen, verlangte der CSU-Vorsitzende. "Nun ist der Bund in der Pflicht, den Ländern die bisher für das Betreuungsgeld eingesetzten Mittel in vollem Umfang zur Verfügung zu stellen." Für 2015 waren dafür 900 Million Euro veranschlagt.
Bayerns Sozialministerin Emilia Müller (CSU) bekam vom Kabinett den Auftrag, sehr rasch die gesetzlichen Grundlagen für eine Fortzahlung des Betreuungsgeldes in Bayern zu schaffen. Seehofer stellte einen entsprechenden Beschluss für September in Aussicht. Allerdings konnte er noch nicht zusagen, dass das Betreuungsgeld nahtlos weitergezahlt werden kann. Das könne man im Moment nicht seriös sagen. "Wir werden aber das uns Mögliche tun, um den bayerischen Familien so schnell wie möglich zu helfen", sagte Seehofer. "Es wäre ein großer Schaden, wenn wir diesen Markenkern bayerischer Familienpolitik aufgeben und das Betreuungsgeld nicht weiterzahlen würden."
Seehofer nannte es bedauerlich, dass Karlsruhe das Betreuungsgeld "aus rechtstechnischen Gründen" für nichtig erklärt habe. In der Vergangenheit habe das Gericht Familien mit Kindern immer besonders unterstützt, doch nun habe es mit dieser Tradition gebrochen.
Kaum eine freiwillige Leistung so gut angenommen
Der CSU-Chef argumentierte, es gebe kaum eine freiwillige Leistung, die von den Menschen derart angenommen werde. Man sehe an der tatsächlichen Inanspruchnahme, wie die Bevölkerung über das Betreuungsgeld denkt. "Die Entscheidung der jungen Familien war eindeutig."
Sozialministerin Müller erklärte nach dem Karlsruher Urteil: "Die Zuständigkeit wechselt, unser Anliegen bleibt: Wir werden die Wahlfreiheit der Eltern mit einem Betreuungsgeld auf Landesebene stärken. Denn wir haben ein Mandat der Familien." (dpa)
Grüne: Betreuungsgeld-Milliarde jetzt in Kita-Ausbau stecken
Nach der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts gegen das umstrittene Betreuungsgeld haben sich die Grünen für einen verstärkten Kita-Ausbau ausgesprochen. "Die Betreuungsgeldmilliarde sollte nun endlich für das ausgegeben werden, was Eltern wirklich wollen und händeringend suchen: gut ausgestattete Kitas mit gut ausgebildeten und gut bezahlten Erzieherinnen und Erziehern", sagte die Fraktionschefin der Grünen im Bundestag, Katrin Göring-Eckardt, am Dienstag in Berlin.
Göring-Eckardt begrüßte das Urteil. Das von der CSU durchgedrückte Betreuungsgeld bleibe eine unsinnige und teure Maßnahme, die am Familienbild des letzten Jahrhunderts festhalte. Den Zielen einer modernen Familienpolitik mit gleichberechtigter Aufgabenverteilung zwischen den Partnern könne man so nicht gerecht werden. Für die Kinder sei es eine bildungspolitische Katastrophe. (dpa)