Berlin. . Das Verfassungsgericht entscheidet am Dienstag über das umstrittene Betreuungsgeld. In der Bundesregierung stellt man sich auf eine Niederlage ein.

Harte Zeiten für die CSU: Erst fährt die Maut gegen die Wand, nun droht das Betreuungsgeld zu kippen. Das Bundesverfassungsgericht entscheidet morgen über die Zukunft der umstrittenen Geldleistung für Familien, die ihre Kleinkinder nicht in die Kita geben. Eine halbe Million Eltern beziehen mittlerweile das einst als „Herdprämie“ geschmähte Betreuungsgeld – sie hätten künftig jeden Monat 150 Euro weniger in der Familienkasse.

In der Bundesregierung rechnen viele mit einem „Aus“ für das auf Betreiben der CSU eingeführte Betreuungsgeld, nachdem die Karlsruher Richter bereits zu Verhandlungsbeginn im April deutliche Zweifel an der Prämie geäußert hatten.

Befürworter pochen auf Wahlfreiheit

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Das Land Hamburg als Kläger hatte argumentiert, dass der Bund für das Betreuungsgeld gar nicht zuständig sei – unter anderem deshalb, weil es unsinnig sei, wenn der Bund diejenigen finanziell fördere, die ein Förderangebot der Länder, wie Kitas oder Tagesmütter, nicht nutzen. Kippt das Betreuungsgeld, dann nicht wegen einer politischen Wertentscheidung, sondern weil sich der Bund hier ohne Not in die Sache der Länder eingemischt hat.

Zu Verhandlungsbeginn hatte die CSU deswegen schon mal gepoltert: Wenn der Bund nicht für das Betreuungsgeld zuständig sei, „dann muss man auch die Beteiligung des Bundes am Kita-Ausbau der Länder infrage stellen“. Doch der Vergleich hinkt: Der Kita-Ausbau soll unter anderem Frauen und Männern Chancengleichheit verschaffen – eine zentrale, grundgesetzliche Aufgabe des Bundes.

Mit 900 Millionen Euro gehört das Betreuungsgeld zu den kleineren Posten im staatlichen Fördertopf für Familien, mit ideologischer Wucht aber wird seit Jahren darüber gestritten: „Fernhalteprämie!“ schimpfen die Gegner und zitieren Forscher, die nachweisen, dass das Betreuungsgeld gerade Kinder aus bildungsfernen Familien vom Kita-Besuch abhält. Auch Mütter würden unnötig lange vom Arbeitsmarkt ferngehalten. „Wahlfreiheit!“ dagegen behaupten die Befürworter. CSU-Landesgruppenchefin Gerda Hasselfeldt will den Kampf gleich am Dienstag wieder aufnehmen: Bei einem negativen Urteil solle die Koalition nach Lösungen suchen, „Eltern weiterhin Wahlfreiheit zu ermöglichen“.

Viele Eltern nehmen unterdessen die Leistung einfach mit: Wer für seine ein- und zweijährigen Kinder keine öffentlich finanzierte Kinderbetreuung bei Tagesmüttern oder Kitas in Anspruch nimmt, kann das Betreuungsgeld 22 Monate lang beantragen. Das tun vor allem Mütter: Zwei Jahre nach der Einführung zahlt der Staat die monatliche 150-Euro-Leistung inzwischen für mehr als 455 000 Kinder. (NRW: 106 346) Bundesweit 695 000 Kinder unter drei Jahren gingen dagegen zuletzt in Krippen, Kitas und zu Tagesmüttern.

Nicht nur in Bayern wird das Urteil mit Spannung erwartet – immerhin wäre auf einen Schlag eine knappe Milliarde an Steuergeldern neu zu verteilen. NRW-Familienministerin Ute Schäfer (SPD) hält das Betreuungsgeld wie viele ihrer Länderkollegen für ein „unsinniges Instrument“. Hier werde am falschen Ende investiert: Um Eltern wirkliche Wahlfreiheit zu ermöglichen, müsse der Kita-Ausbau weiter gefördert werden.

Auch Bundesfamilienministerin Manuela Schwesig (SPD) macht keinen Hehl aus ihrer Ablehnung. Sollten die Richter das Betreuungsgeld kippen, will sie nicht warten, bis der Bund und die Länder die Millionensumme unter sich aufteilen, sondern selbst die Hand darauf legen und damit den Ausbau der Kinderbetreuung vorantreiben.

CSU-Familienpolitiker Paul Lehrieder hat Zweifel, ob das gelingt. Ein „Aus“ für das Betreuungsgeld könnte bedeuten, dass die 900 Millionen zurück in Schäubles Haushalt gehen und für die Eltern verloren sind: „Der Bund hat jetzt, ohne dass es die Länder etwas gekostet hätte, die Familien unterstützt. Ich bedaure es sehr, dass einige Länder das ablehnen“, sagte Lehrieder dieser Zeitung.