Düsseldorf/Bochum. . Für Rocker ist das vom BGH gekippte Kutten-Verbot ein wichtiger Teilerfolg im Kampf für ein Statussymbol. Für die Sicherheitsbehörden dürfte es dagegen ein Rückschlag sein.

Eigentlich wollte Innenminister Ralf Jäger (SPD) mit dem Kuttenverbot kriminellen Rockern „kräftig auf die Stiefel treten“. Der Bundesgerichtshof (BGH) hat dem Minister aber nun einen bösen Strich durch die Rechnung gemacht. Die Richter bestätigten am Donnerstag die Freisprüche des Landgerichts Bochum für zwei Mitglieder der „Bandidos“ aus Bochum und Unna, die sich nach dem Kuttenverbot in NRW selbst angezeigt hatten, um gegen das Verbot rechtlich vorgehen zu können. Die in Karlsruhe anwesenden Rocker – darunter eine Reihe von Führungsleuten der drei größten Motorradclubs Hells Angels, Gremium MC und Bandidos – kündigten denn auch unmittelbar nach dem Urteil an: „Wir ziehen unsere Kutten wieder an.“

Gewerkschaft der Polizei bedauert „verpasste Chance“

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Während die Rocker ihren Erfolg als „Sieg des Rechts über die Willkür der Innenminister und der untergeordneten Behörden“ lautstark feierten, sprach der NRW-Vorsitzende der Gewerkschaft der Polizei, Arnold Plickert, von „einer verpassten Chance“. Da die Rocker ihre Kutten als Machtsymbole bei Aufmärschen und Motorradkorsos einsetzten, sei das Urteil bedauerlich. Er sieht aber noch eine Hintertür durch ein gesetzliches Verbot über das Vereinsrecht. Diesen Weg hätten die Bundesrichter ausdrücklich offen gehalten.

Vor einem Jahr hatte NRW das Tragen und Zeigen des roten Schriftzugs „Hells Angels“ und des Symbols des behelmten Totenschädels mit Engelsflügeln sowie des rot-goldenen Schriftzugs „Bandidos“ mit dem Emblem „Fat Mexican“ verboten und war damit anderen Bundesländern gefolgt. Die Karlsruher Richter halten das Tragen von „Rockerkutten“ letztinstanzlich aber nur dann für strafbar, wenn gleichzeitig das Kennzeichen des Motorrad-Clubs und die Ortsbezeichnung des verbotenen „Chapters“ angebracht sind – das gilt etwa für das wegen Straftaten verbotenen Chapters in Aachen.

"Die Gesetzeslage ist vollkommen unstimmig"

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Die beiden Rocker aus Bochum und Unna, deren Chapter nicht verboten sind, waren im August demonstrativ mit der Rockerweste in eine Bochumer Polizeiwache gestiefelt. Die Beamten zeigten sie wie gewünscht an, der Fall landete vor dem Bochumer Landgericht und nun vor dem BGH.

Der verwarf eine Revision des Bochumer Freispruchs. Die Strafbarkeit sei in diesen Fällen ausgeschlossen, weil der Gesetzgeber diese Regelung nicht in die Strafvorschrift des Vereinsgesetzes einbezogen habe. „Die Gesetzeslage ist vollkommen unstimmig“, so der Vorsitzende BGH-Richter Jörg-Peter Becker. Dies bedeutet, dass das Tragen einer Kutte mit den Bandidos-Emblemen und dem Ortszusatz eines nicht verbotenen Chapters „nach derzeitiger Rechtslage zwar polizeirechtlich verboten sein kann, nicht aber strafbar ist“.

Trügerisches Bild von Motorradromantik

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Innenminister Jäger will trotz des Teilerfolgs der Rocker seine Bekämpfungsstrategie der Nadelstiche fortsetzen und gab sich kämpferisch: „Kriminelle Rocker sollen wissen, dass wir die ganze Palette der Gesetze ausschöpfen und sie unter die Lupe nehmen.“ Das Spektrum reiche von Platzverweisen, Gefährderansprachen und Freiheitsentzug bis hin zur gezielten Verfolgung von Steuer-, Gewerbe- und Verkehrsdelikten. In den vergangenen drei Jahren hat NRW 205 Razzien gegen Rocker durchgeführt. Dabei wurden 22 000 Personen überprüft. „Wir treten den Machtdemonstrationen dieser Banden entgegen“, drohte Jäger.

Der Bochumer Rechtsanwalt Reinhard Peters, der einen der Bandidos verteidigt hatte, sagte dieser Zeitung: „Das ist ein Sieg auf ganzer Linie. Wir freuen uns, dass der BGH unsere Rechtsauffassung und die des Landgerichts im Ergebnis geteilt hat.“ Noch während er nach Bochum zurückfuhr, erschien die Staatsanwaltschaft in seiner Kanzlei, rückte die beiden beschlagnahmten Kutten heraus. Jägers Profilierungsversuch sei damit gescheitert, jubelte Peters.

Der Minister gibt sich aber noch nicht geschlagen. „Das trügerische Bild von Motorradromantik hat den Blick auf die verbrecherische Realität verklärt“, glaubt der Minister. „Ob mit oder ohne Kutte – keiner im kriminellen Rockermilieu darf sich vor staatlichen Konsequenzen sicher fühlen.“