Karlsruhe. Der Bundesgerichtshof hat das “Kuttenverbot“ in NRW gekippt. Man sehe im Tragen der Kutte keinen pauschalen Verstoß gegen das Vereinsgesetz.

Im Kampf um ihre symbolträchtigen Club-Lederwesten haben Rocker vor dem Bundesgerichtshof einen Teilerfolg errungen: Das Tragen der Kutten ist nicht strafbar, selbst wenn einzelne Rocker-Gruppen verboten sind. Voraussetzung ist, dass auf den Kutten die Ortsbezeichnung einer nicht verbotenen Gruppe (Chapter) angebracht ist, entschied der BGH am Donnerstag in Karlsruhe (Az.: 3 StR 33/15). Allerdings kann das Tragen untersagt werden, wenn die Ziele eines Ortsvereins mit denen eines verbotenen Chapters übereinstimmen.

Die in Karlsruhe anwesenden Rocker - darunter eine Reihe von Führungsleuten der drei größten Motorradclubs Hells Angels, Gremium MC und Bandidos - kündigten sogleich an: "Wir ziehen unsere Kutten wieder an."

Im NRW-Innenministerium will man nun auf die Begründung der BGH-Richter warten und sie "genau prüfen", sagte ein Sprecher: Das generelle Kuttenverbot sei gekippt, die meisten Rockergruppen also "dürfen wieder Kutte tragen". Die Entscheidung in Karlsruhe sei "differenziert", erklärte der Sprecher von Innenminister Ralf Jäger (SPD): "Wir werden auch weiterhin alle Möglichkeiten nutzen, Rocker bei uns das Leben so schwer wie möglich zu machen".

Richter kritisiert, "die Gesetzeslage ist vollkommen unstimmig"

Der BGH verwarf eine von der Staatsanwaltschaft eingelegte Revision gegen ein Urteil des Bochumer Landgerichts vom vergangenen Oktober, das zwei Bandidos aus NRW freigesprochen hatte. Vor dem Landgericht ging es darum, ob die Männer aus Bochum und Unna 600 Euro Strafe für das Tragen der Kutten zahlen müssen, weil andere Bandidos-Gruppen - das "Chapter Aachen" und das "Probationary Chapter Neumünster" - verboten sind.

Der BGH bestätigte den Freispruch. Die Strafbarkeit sei in diesen Fällen ausgeschlossen, weil der Gesetzgeber diese Regelung nicht in die Strafvorschrift des Vereinsgesetzes einbezogen habe. "Die Gesetzeslage ist vollkommen unstimmig", so der Vorsitzende BGH-Richter Jörg-Peter Becker bei der Urteilsverkündung, zu der rund zwei Dutzend Rocker nach Karlsruhe gekommen waren.

Dies bedeutet, dass das Tragen einer Kutte mit den Bandidos-Emblemen und dem Ortszusatz eines nicht verbotenen Chapters "nach derzeitiger Rechtslage zwar polizeirechtlich verboten sein kann, nicht aber strafbar ist", so der BGH. Beobachter gehen davon aus, dass der Gesetzgeber diese Gesetzeslücke zügig schließen wird.

NRW-Behörden wollen hart bleiben gegenüber Rockerbanden

Die "Verfolgungs- und Kriminalisierungsinitiative" der Innenminister gegenüber den Rockern habe durch den Richterspruch aus Karlsruhe ein "unrühmliches Ende gefunden", sagten Vertreter der Hells Angels aus Stuttgart, die teils mit Kutte und Harley wieder abbrausten.

Die Behörden in NRW wollen unterdessen hart bleiben gegenüber kriminellen Rockerbanden: Es ist wichtig, dass wir die ganze Palette der Gesetze ausschöpfen und alle Aktivitäten der Rockerbanden unter die Lupe nehmen“, sagte NRW-Innenminister Jäger am Donnerstag. Das beinhaltete neben Platzverweisen, Gefährderansprachen und Freiheitsentziehungen unter anderem auch Sanktionen aus dem Steuerrecht, dem Gewerbe- sowie dem Verkehrsrecht.

In den vergangenen drei Jahren habe die Polizei bei 205 Treffen Kontrollen und Razzien gegen Rocker durchgeführt. Dabei seien mehr als 22.000 Personen und über 7500 Fahrzeuge überprüft worden. Dabei hätten Beamten zahlreiche Hieb- und Stichwaffen sichergestellt. Insgesamt hatte die NRW-Polizei 568 Treffen im Visier. „Bei fast allen Treffen oder Veranstaltungen von Rockern ist die Polizei präsent und kontrolliert. Wir treten den Provokationen und Machtdemonstrationen dieser Banden entgegen“, sagt Jäger. (dpa/WE)