Essen. Können Städte die Kita-Gebühren, die Eltern während des Erzieher-Streiks zahlen, erstatten? Nein, sagen viele Kommunen. Doch das könnte sich ändern.

Zweieinhalb Wochen dauert mittlerweile der unbefristet angesetzte Streik der Erzieher in den kommunalen Kindertagesstätten. Ein Ende ist nicht in Sicht. Dabei ist für viele Eltern, Großeltern, Arbeitgeber und Kinder die Grenze der Belastbarkeit längst erreicht. Als umso so ärgerlicher empfinden es die Eltern, dass sie die Gebühren für ihren Kita-Platz trotz nicht erbrachter Leistung weiter zahlen müssen. Zudem brauchen sie ihre Urlaubstage auf und müssen die Betreuung organisieren, was zusätzliche Kosten bringen kann.

Im Kita-Streik sind Eltern und Kinder die Dummen

Was viele Eltern zusätzlich auf die Palme bringt: Die Städte profitieren finanziell von dem Streik. Sie kassieren nicht nur die Kita-Gebühren. Die Kommunen sparen auch noch die Gehälter der sich im Arbeitskampf befindlichen Erzieher, da diese aus der Streikkasse der Gewerkschaften bezahlt werden. Den Kommunen fehlt also der finanzielle Anreiz, sich mit Verdi & Co. zu einigen. Stattdessen sind die Eltern und die Kinder die Dummen, auf deren Rücken der Arbeitskampf ausgetragen wird.

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Doch die Verzweiflung und die Wut der Eltern ist mittlerweile auch in einigen Rathäusern angekommen. Genervte Mütter und Väter schickten jetzt in Hattingen, Bonn und Köln ihre Kinder zum Spielen ins Rathaus. Mit der fortnehmenden Dauer des Kita-Streiks wächst der Druck auf die Kommunen. Schließlich wäre der Eindruck, man würde sich auf Kosten der Eltern bereichern, ein nicht zu unterschätzender Image-Schaden.

Gelsenkirchen und Gladbeck wollen Beiträge zurückzahlen

Bislang wollen nur wenige Städte in NRW die Beiträge an die Eltern zurückzahlen. Das sind zum Beispiel Köln, Dortmund, Gelsenkirchen und Gladbeck. "Es gibt keine Pflicht zur Rückerstattung. Das ist eine freiwillige Aufgabe", erklärt die Sprecherin der Bezirksregierung Münster, Sigrun Rittrich. Viele Kommunen zögern angesichts ihrer schlechten Finanz-Lage und wollen die Sachlage erst prüfen, wenn der Streik beendet ist.

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So sind zahlreiche Städte im Ruhrgebiet an die Vorgaben durch den Stärkungspakt gebunden. Diese Kommunen erhalten Landesmittel, um ihren Haushalt schneller wieder ausgleichen zu können. Von 2021 an müssen sie in der Lage sein, den Etat aus eigenen Mitteln zu stemmen. Die Kontrolle obliegt den jeweiligen Bezirksregierungen. Diese lassen in Absprache mit dem NRW-Innenministerium ein Schlupfloch zu.

Kommunalaufsicht fordert "Nullsummenspiel"

Stärkungspakt- und Haushaltssicherungskonzept-Kommunen können die Kita-Beiträge für die Ausfallzeit rückerstatten, wenn sie das Geld durch die nicht gezahlten Erzieher-Löhne oder bei anderen freiwilligen Leistungen einsparen. Am Ende müsse ein "Nullsummenspiel" stehen, erläutert Christian Chmel-Menges, Sprecher des Regierungspräsidenten Arnsberg. Beim letzten Streik im Jahr 2009 hatte das NRW-Innenministerium verboten, dass Kommunen mit Nothaushalt oder vorläufiger Haushaltsführung die Kita-Gebühren für die Streik-Zeit zurückzahlen.

Kita-Mitarbeiter singen Protestsong auf dem Willy-Brandt-Platz

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    Im Stärkungspakt sind im Ruhrgebiet vertreten: Duisburg, Essen, Oberhausen, Velbert, Moers, Bottrop, Gelsenkirchen, Castrop-Rauxel, Datteln, Dorsten, Gladbeck, Haltern, Herten, Marl, Oer-Erkenschwick, Recklinghausen, Waltrop, Hamm, Herne, Hattingen, Schwelm, Sprockhövel, Witten, Schwerte, Bönen und Selm.

    Somit liegt der Ball nun wieder bei Kommunen und Räten - sofern die jeweiligen Satzungen der Städte eine Rückerstattung der Elternbeiträge zulassen. Städte wie Essen, Schwelm und Duisburg befinden sich derzeit noch in der vorläufigen Haushaltsführung ("Nothaushalt"). Ihnen sind laut Gemeindeordnung bis zur Genehmigung des Etats freiwillige Wohltaten untersagt. Sobald der Haushalt für 2015 allerdings genehmigt ist, können auch hier Modelle für eine Rückzahlung entwickelt werden. Nachdem Essens Oberbürgermeister Reinhard Paß lange Zeit eine Rückzahlung von Elternbeiträgen aus rechtlichen Gründen ausgeschlossen hatte, will die Stadt nun doch prüfen, ob es eine Möglichkeit gibt.

    11.000 Erzieher beteiligen sich an Streik in NRW

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    Der Landeselternbeirat (LEB) NRW hat zu einem Ende des "vollkommen unsinnigen Streiks" in den kommunalen Kitas aufgerufen. An die Arbeitgeberseite appellierte der LEB in Köln: "Verlassen Sie Ihre harte Linie und legen Sie ein angemessenes Angebot vor." Auch die Gewerkschaften müssten sich aus Elternsicht bewegen, an den Verhandlungstisch zurückkehren und sich auf einen Kompromiss einlassen. Für Kinder und Eltern sei der unbefristete Streik, der bundesweit schon in die dritte Woche gegangen ist, nicht länger zumutbar. Der Ausstand treffe die Falschen, betonte der LEB-Vizevorsitzende Attila Gümüs.

    An dem Streik im Sozial- und Erziehungsdienst haben sich in NRW nach Angaben der Gewerkschaft Verdi in der dritten Woche rund 11.000 Beschäftigte beteiligt. Gefordert wird eine höhere Eingruppierung der bundesweit rund 240.000 Erzieher und Sozialarbeiter, die laut Verdi zu Einkommensverbesserungen von durchschnittlich zehn Prozent führen würde. Nach Darstellung des kommunalen Arbeitgeberverbands VKA sei das nicht bezahlbar. Die Vereinigung will sich am Donnerstag zu einer weiteren Sitzung treffen. Dann soll es auch weitere Demonstrationen der streikenden Erzieher geben.