Berlin. . In der BND-Affäre wächst der Druck aufs Kanzleramt - und die Sorge vor Informationsverlusten für deutsche Dienste. Sicherheitskreise: Amerikaner haben in vielen Bereichen exklusives Wissen

In der Affäre um den Bundesnachrichtendienst (BND) wächst der Druck aufs Kanzleramt von allen Seiten: Während Opposition und auch der Koalitionspartner SPD „Lügen“-Vorwürfe erheben, gibt es neue Hinweise auf US-Wirtschaftsspionage.

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Am Wochenende häuften sich die schlechten Nachrichten für das Kanzleramt: Der US-Geheimdienst NSA soll versucht haben, mithilfe des BND auch den deutschen Technologiekonzern Siemens auszuspähen. Nach einem Bericht der „Bild am Sonntag“ hatten die Amerikaner das Unternehmen im Visier, weil es die Lieferung von Kommunikationstechnik an den russischen Geheimdienst vereinbart hatte.

Druck aufs Kanzleramt

Die Meldung ist brisant, weil Kanzlerin Angela Merkel Wirtschaftsspionage mithilfe des BND gerade erst ausgeschlossen hat, von der Ausforschung des Airbus-Konzerns abgesehen. Ob der BND auch im Fall Siemens der NSA geholfen hat, ist noch unklar. Überprüfen ließe sich das nur anhand jener Liste mit Suchaufträgen der NSA, deren Herausgabe die Opposition wie die SPD bereits mit Nachdruck fordern.

Doch das Kanzleramt sitzt in der Klemme: Merkel hat bei der US-Regierung anfragen lassen, ob sie die Liste an den Bundestags-Untersuchungsausschuss herausgeben darf. In Berlin mehren sich jetzt die Signale, dass die US-Regierung in Kürze auch offiziell ihr striktes Nein übermittelt. Für den Fall, dass die Regierung Abgeordneten trotzdem Einsicht in die Liste gibt, droht die amerikanische Seite offenbar schon mit Einschränkungen der Geheimdienstzusammenarbeit.

Erste Konsequenzen

Erste Konsequenzen gibt es schon jetzt: Vergangene Woche sagte die NSA von sich aus Suchaufträge an den BND für die Internetüberwachung ab – der deutsche Dienst hatte für jeden einzelnen Auftrag eine Begründung verlangt, dass lehnten die Amerikaner als zu aufwendig ab.

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Die Telefonüberwachung für die NSA läuft weiter, doch unter Experten werden Sorgen laut: Der CDU-Innenpolitiker Armin Schuster etwa warnt schon, der BND könne künftig von relevanten Informationen abgeschnitten werden. Tatsächlich ist es für den Auslandsgeheimdienst eine Gratwanderung: „Die USA haben in vielen Bereichen exklusives Wissen. Die Masse der Terrorwarnungen kam von dort“, heißt es in Sicherheitskreisen der Regierung. „Wenn die USA ihre Hilfe einstellt, wäre das ganz schlecht.“

Keine Freundschaft unter Geheimdiensten

Aber so weit werde es nicht kommen: Der BND sei gut vernetzt etwa in Russland oder Nahost und habe auch in Nordafrika bessere Zugänge als die USA. „Solange wir denen auch etwas geben können, hat das alles keine Folgen“, sagt ein Spitzenbeamter: „Es gibt keine Freundschaft unter Geheimdiensten.“

Das zeigen auch neue Informationen über die amerikanische Ablehnung eines „No-Spy-Abkommens“ mit Deutschland. Offenbar haben die USA auch auf dem Höhepunkt der Enthüllungen Edward Snowdens 2013 nie erwogen, einen förmlichen Verzicht auf Spionage gegen Deutschland zu vereinbaren, wie SZ, NDR und WDR anhand des ­E-Mail-Verkehrs zwischen Beratern des Kanzleramts und des Weißen Hauses berichteten.

Die Bundesregierung, vor allem der damalige Kanzleramtsminister Ronald Pofalla (CDU), hatte behauptet, die USA hätten ein solches Abkommen angeboten. SPD-Vize Ralf Stegner sagte, Pofalla „hat die deutsche Öffentlichkeit belogen“. Grüne und Linke forderten Aufklärung.