Ruhrgebiet. . In kommunalen Kitas droht ein unbefristeter Erzieher-Streik. Eine Kita-Mitarbeiterin spricht über ihren Job, die Probleme, das Geld und den Streik.
Daniela Schulte ist 30 und seit neun Jahren Erzieherin. Zurzeit arbeitet sie in einer Kita im nördlichen Ruhrgebiet. Klar, sagt sie, erzähle sie gerne von ihrem Job und dem Streik, aber nicht unter ihrem richtigen Namen.
Warum nicht?
Daniela Schulte: Weil ich wie so viele Kolleginnen nur einen Ein-Jahres-Vertrag habe. Der läuft im Sommer ab. Ich hab keine Ahnung, ob er verlängert wird. Da will ich lieber nichts riskieren.
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Was ist schlecht an einem Ein-Jahres-Vertrag?
Schulte: Du kannst dein Leben nicht wirklich angehen. Neues Auto kaufen, ich will gerne umziehen, Urlaub. Alles nicht planbar, weil du nicht weißt, ob du nicht schon bald arbeitslos bist. Und die Banken geben dir auch keinen Kredit. Mit 30 macht man aber schon mal gerne weitergehende Pläne. Ein-Jahresverträge sind auch nicht gut für die Kinder. Die brauchen Kontinuität. Ich habe Kinder bei uns, die haben schon sechs Wechsel der Erzieherinnen hinter sich. Und bei uns führt das bei einigen auch zu einem Nachlassen der Motivation.
Wie sieht die Ausbildung aus?
Schulte: Ich habe nach dem Fachabi ein Jahr Vorpraktikum im Kindergarten und in der Berufsschule gemacht, dann zwei Jahre Berufsschule, dann noch das Anerkennungsjahr, dann hatte ich die staatliche Anerkennung als Erzieherin. Jetzt soll die Ausbildung fünf Jahre dauern. Naja, dazu der relativ bescheidene Lohn, kein Wunder, dass es schwierig ist, junge Leute für den Beruf zu begeistern. Fehlendes Personal aber verschlimmert die Situation in den Kitas. Für alle.
Wie viel Geld gibt’s denn im Monat?
Schulte: Ich verdiene jetzt 1719 Euro netto. ich will nicht jammern, zumal es bei einigen freien Trägern noch weniger gibt. Aber einige alleinerziehende Kolleginnen von mir haben abends noch einen Nebenjob, um über die Runden zu kommen.
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Wie viel Stunden arbeitet ihr in der Woche?
Schulte: 39 Stunden. Unsere Kita hat von 7 bis 16.30 Uhr geöffnet. Wir arbeiten in drei Schichten. Aber morgens bist du natürlich vor sieben da, Stühle runterstellen, alles vorbereiten. Und später wartet der Papierkram. Der hat sich vervielfacht in den letzten Jahren. Elterngespräche zur Absicherung schriftlich festhalten. Entwicklungsberichte. Sprachstandserhebungen. Viele machen das nach der Arbeit zu Hause.
Warum Elterngespräche schriftlich festhalten?
Schulte: Weil Eltern immer anspruchsvoller werden. Die wollen heutzutage die totale Förderung. Am besten sollen die Kinder schon lesen und schreiben lernen. Die wollen immer Ergebnisse. Wenn die Kinder was Gebasteltes nach Hause bringen, dann ist gut. Wenn wir nur gespielt haben, stehen die Eltern auf der Matte und beschweren sich. Viele, nicht alle.
Woher kommt das?
Schulte: Die haben Angst, dass ihr Kind zu kurz kommt. Da spielt schon die Angst eine Rolle. Jetzt schon müssen die Weichen gestellt werden, sonst: kein Abi, keine Uni, keine Zukunft. Und das schlechte Gewissen spielt eine Rolle: ‘Ich kann dem Kind nicht alles geben, weil ich arbeiten muss.’ Also muss die Kita das für mich leisten. Schwierig.
Haben sich die Kinder in den neun Jahren Ihrer Erfahrung geändert?
Schulte: Oh ja. Unkonzentrierter, nicht mehr so neugierig. Ich glaube, es hängt mit dem Medienkonsum zusammen. Viele unserer Vierjährigen haben schon I-Pads zu Hause. Wenn ich montags frage: Was habt ihr am Wochenende gemacht, sagen die Kinder immer öfter: Computerspiele, Fernsehen. Kaum noch ein Kind spielt draußen, deswegen sind sie hier auch immer hibbeliger. Die Bewegung fehlt. Und die ist so wichtig für die kognitive und sprachliche Entwicklung.
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Inzwischen kommen auch Kinder unter drei Jahren in die Kitas. Was hat sich dadurch verändert?
Schulte: Die ganz Kleinen brauchen Rundumversorgung. Zeit, die wir nicht mehr für die Größeren haben. Ich verstehe, dass alleinerziehende Mütter ihre Kinder bringen müssen, um arbeiten zu können, aus pädagogischer Sicht ist die Kita für Kinder unter zwei Jahren wenig sinnvoll. Sie suchen gar keinen Kontakt zu den anderen Kindern, das geht erst mit zwei los. Dann lernen sie von den Großen.
Ein anstrengender Job?
Schulte: Tja, wenn ich nach der Schicht ins Auto steige, mache ich erst mal das Radio aus, das ich bei der Hinfahrt gerne gehört habe. Ich brauch dann Ruhe. Trotzdem: Ich bin gerne Erzieherin. Und eine gute Erzieherin gibt immer hundert Prozent.
Und streikt deshalb nicht?
Schulte: Ich bin in der Gewerkschaft. Extra eingetreten. Ich werde streiken. Ich finde, unsere Arbeit muss besser anerkannt werden. Eine Freundin hat es gut formuliert: Warum geben wir so viel mehr Geld für die Leute aus, die sich um unser Geld kümmern als für die, die sich um unsere Kinder kümmern. Ja stimmt doch, oder?