Aachen. . Die 1. Mai-Kundgebung in NRW zeigte, dass Ministerpräsidentin Kraft in diesem Jahr nicht vorbehaltlos das Lied der Gewerkschaften singen kann.
Den Gewerkschaftern auf dem Aachener Rathausmarkt fiel die Unterscheidung zwischen Gut und Böse nicht schwer. Ganz vorne an der Bühne der zentralen NRW-Kundgebung zum 1. Mai hatten sich einige postiert, die ein abgewandeltes Filmplakat in die Höhe reckten.
In Anlehnung an den Mafia-Klassiker "Der Pate" hieß es dort „Der Baake“, und man sah Rainer Baake, den grünen Staatssekretär im Bundeswirtschaftsministerium, wie er Vizekanzler Sigmar Gabriel (SPD) als seine Marionette beim „Jobkillen“ führt.
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Dieser 1. Mai stand im Zeichen des Braunkohlestreits. Die von Baake entworfenen und von Gabriel politisch verantworteten Pläne für eine neue Klimaschutzabgabe, die insbesondere das Rheinische Revier und den Kraftwerksstandort NRW treffen würden, wühlen das Gewerkschaftslager auf. Ministerpräsidentin Hannelore Kraft (SPD), die als Hauptrednerin nach Aachen gekommen war, wusste um die Erwartungshaltung ihrer Zuhörer.
Also intonierte sie im röhrigen 1.Mai-Kundgebungssound: „Wir nehmen die Sorgen ernst.“ Oder: „Wir wissen, was auf dem Spiel steht.“ Und Richtung Gabriel: „Wir verlangen Änderungen.“ Strukturwandel ja, aber keine Strukturbrüche. Höflicher Beifall, kaum Pfiffe.
DGB-Landeschef Andreas Meyer-Lauber kündigte an, im Kampf um die Braunkohle-Arbeitsplätze „die Krallen“ auszufahren und lobte abseits seines Redemanuskripts NRW-Wirtschaftsminister Garrelt Duin (SPD), der sich zuletzt als heftigster Kritiker der Baake-Pläne in Stellung gebracht hatte.
Kraft umschifft die Gefahr
Kraft selbst umschiffte dagegen die Gefahr, für einen donnernden Applaus den eigenen Parteichef bloßzustellen. Sie hütete sich, übergroße Erwartungen zu wecken oder als gestrige „Kohle-Hanni“ zu erscheinen, die die nationalen Klimaschutzziele offen in Frage stellt.
Das würde ihr der grüne Koalitionspartner nicht durchgehen lassen. Fast beiläufig erwähnte sie in Aachen, dass die Landesregierung auch die schmutzige Braunkohle in der Mitverantwortung sieht, dass Deutschland seine Kohlendioxid-Minderungsziele einhält.
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Wie all diese Enden zusammengebracht werden sollen, müssen die kommenden Monate zeigen. Bis zum Sommer soll das Energiepaket des Bundes geschnürt sein, das den rechtlichen Rahmen für die kommenden Jahre setzt. Parallel kommt in Düsseldorf ein Thema auf den Tisch, bei dem Hobby-Gitarristin Kraft ein „Wann wir schreiten Seit’ an Seit’“ ebenfalls nicht vorbehaltlos anstimmen kann: die Besoldung der Landesbeamten.
DGB-NRW-Chef: „Aus unserer Sicht sind auch Beamte Arbeitnehmer“
Meyer-Lauber stellte klar, dass der jüngste Tarifabschluss im öffentlichen Dienst „1:1“ auf alle Landesbeamten übertragen werden müsse. „Aus unserer Sicht sind auch Beamte Arbeitnehmer“, rief Meyer-Lauber. Die volle Übertragung des Gehaltsplus von 2,1 Prozent in diesem Jahr und 2,3 Prozent im nächsten auf alle Staatsdiener ist aber nicht das, was Kraft in ihrer Haushaltslage zusagen kann.
Deshalb will die Landesregierung vom 13. Mai an mit den Gewerkschaften über die Besoldungserhöhung für Lehrer, Polizisten oder Richter verhandeln. Das war lange unüblich, doch die Ministerpräsidentin stellte klar: „Es gibt keinen Automatismus zur Übertragung.“