Berlin/Essen. . Fast 40 Milliarden Euro haben die Energiekonzerne für die Kosten nach dem Atomausstieg eingeplant. Doch es gibt es Zweifel an der Finanzierung.

In wenigen Wochen will der Düsseldorfer Energiekonzern Eon ein weiteres Atomkraftwerk vom Netz nehmen. Ende Mai wird der Meiler im bayerischen Grafenrheinfeld stillgelegt. Vor Fukushima waren bundesweit 17 Atommeiler in Betrieb, nach dem Aus für Grafenrheinfeld sind es noch acht. Spätestens zum Ende des Jahres 2022 soll auch das letzte Atomkraftwerk in Deutschland abgeschaltet werden.

Ein Kapitel endet, doch neue Fragen entstehen. Ein Endlager für die radioaktiven Abfälle ist noch nicht gefunden. Unklar ist auch, ob das Geld, das die AKW-Betreiber Eon, RWE, EnBW und Vattenfall für den Ausstieg zurückgelegt haben, auf Dauer ausreicht. Nach Einschätzung von Manuel Frondel vom Rheinisch-Westfälischen Institut für Wirtschaftsforschung (RWI) in Essen besteht das Risiko, dass am Ende die Steuerzahler einspringen müssen. „Niemand kann guten Gewissens sagen, wie hoch die Kosten für die Endlagerung tatsächlich ausfallen werden“, sagt Frondel.

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Angesichts der Krise der Energiekonzerne gibt es offenbar auch innerhalb der Bundesregierung Zweifel an der Sicherheit der Atomrückstellungen. In einem Gutachten hatte Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD) unter anderem eine Überführung der Milliarden-Verpflichtungen in einen öffentlich-rechtlichen Fonds prüfen lassen. Derzeit stehen in den Bilanzen der Versorger Atom-Rückstellungen in Höhe von rund 38,5 Milliarden Euro. Allein bei Eon sind es 16,6 Milliarden, auf RWE entfallen 10,3 Milliarden, 8,1 Milliarden auf EnBW und 3,5 Milliarden auf Vattenfall.

Koalitionsausschuss im Juni zu Energiethemen

„Wir müssen sicherstellen, dass die Rückstellungen, die die Unternehmen über Jahrzehnte gebildet haben, in vollem Umfang zur Verfügung stehen, sobald sie gebraucht werden“, sagte Umweltministerin Barbara Hendricks (SPD) im Gespräch mit unserer Zeitung. Dabei gehe es um zwei Phasen: „Zum einen um die Finanzierung der kurz- und mittelfristigen Verpflichtungen der Betreiber für Stilllegung und Rückbau der AKWs und für die Zwischenlagerung des Atommülls. Zum anderen um die langfristigen Verpflichtungen der Entsorgung und Endlagerung.“

Das Thema soll dem Vernehmen nach bald bei Spitzengesprächen von Union und SPD im Bund auf die Tagesordnung kommen. Der Koalitionsausschuss werde sich im Juni mit strittigen Fragen in Sachen Atom, Kohle, Gas und Stromtrassen beschäftigen, heißt es.

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Die Aufspaltung des Energiekonzerns Eon hat die Politik alarmiert. Immerhin soll sich die Eon-Nachfolgefirma, die derzeit noch nicht einmal einen Namen hat, auch um die Entsorgung des atomaren Abfalls kümmern – eine Aufgabe für Jahrzehnte. „Eon versucht, die Altlasten loszuwerden“, urteilt Tobias Riedl von der Umweltschutzorganisation Greenpeace. Der Konzern bestreitet das. Das neue Unternehmen starte schuldenfrei und mit den kompletten Atom-Rückstellungen von Eon, betonte Vorstandschef Johannes Teyssen unlängst.

Stiftungslösung für den Atomausstieg im Gespräch

In der Branche wird auch die Idee diskutiert, eine öffentlich-rechtliche Stiftung für den Atomausstieg zu gründen – nach dem Vorbild der RAG-Stiftung für den Ausstieg aus der Steinkohlenförderung in Deutschland. „Einen Fonds zur Begleichung der Kosten für den Atomausstieg zu gründen, wäre eine vernünftige Lösung. Aber die Schwierigkeiten liegen in den Details“, bemerkt RWI-Energieexperte Frondel. „Für die Konzerne RWE, Eon, EnBW und Vattenfall wäre es in der jetzigen Situation sicherlich nicht einfach, die benötigten finanziellen Mittel locker zu machen.“ Die Rückstellungen in den Bilanzen der AKW-Betreiber bestehen zum Teil auch aus Kohle- und Gaskraftwerken.

Umweltministerin Hendricks sieht in der Verschrottung der Atomkraftwerke übrigens nicht nur finanzielle Risiken, sondern auch Chancen. Denn es gehe um eine Aufgabe, die weltweit an Bedeutung gewinnen werde. „Selbst wer jetzt nicht aus der Atomkraft aussteigt, muss irgendwann alte Anlagen mit absoluter Sicherheit abbauen. Da ist technologische Kompetenz gefragt, bei der Deutschland vorn ist.“