Washington. Nach dem angekündigten Rücktritt des Polizeichefs der US-Stadt Ferguson sind bei einer Demonstration zwei Polizisten angeschossen worden.

Als Tom Jackson, bis dato der Polizeichef von Ferguson, 2012 die frohe Botschaft an die Verwaltung der Kleinstadt nahe St. Louis schickte, war man dort ganz aus dem Häuschen. „Wunderbar“, antwortete John Shaw auf den Hinweis, dass die Einnahmen der Polizei aus Strafzetteln und Bußgeldern für Kavaliers-Delikte wie Ruhestörung oder Bei-Rot-über-die-Ampel-gehen zum ersten Mal die Zwei-Millionen-Dollar-Grenze überschritten hatten. Shaw scherte sich nicht darum, dass die Ordnungshüter das Geld zu über 95 Prozent bei Schwarzen eingetrieben hatten.

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Das und vieles mehr hat das Justizministerium in Washington herausgefunden, nachdem im vergangenen Sommer der schwarze Jugendliche Michael Brown von dem weißen Polizisten Darren Wilson unter dubiosen Umständen auf offener Straße erschossen worden war. Der Fall löste in vielen Städten Amerikas Empörung und gewalttätige Demonstrationen aus. Die Debatte über strukturellen Rassismus ist seither neu entflammt.

Zwei Polizisten durch Schüsse schwer verletzt

John Shaw und Tom Jackson sind nun die ersten prominenten Opfer der Aufarbeitung in Missouri, die landesweit von afro-amerikanischen Lobby-Gruppen mit Argusaugen beobachtet wird. Der Stadtrat setzt Shaw den Stuhl vor die Tür; mit einem Jahresgehalt von 120.000 Dollar als Abfindung. Jackson wird nach den Worten von Bürgermeister James Knowles am 19. März seinen Hut nehmen, ebenfalls gut versorgt.

Vorher wurde in Ferguson bereits Amtsrichter Ronald Brockmeyer zum Rücktritt gedrängt. Er soll sich an der Gewinn-Maximierung zugunsten der Stadtkasse durch hanebüchene Verurteilungen maßgeblich beteiligt haben. „Ferguson räumt langsam auf“, schrieb ein Leser der Zeitung St. Louis Post-Dispatch, „es wurde auch Zeit.“

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Der Erneuerungsprozess steht allerdings seit letzter Nacht unter keinem guten Stern. Nach friedlichen Protesten vor der Polizeiwache an der South Florissand Road wurden am frühen Donnerstagmorgen zwei Beamte, 44 und 32 Jahre alt, in Ferguson von Unbekannten angeschossen. Sie trugen schwere Gesichts-, bzw. Schulterverletzungen davon, sagte Jon Belmar, Chef der Bezirkspolizei von St. Louis. Nach ersten Vermutungen gehen die Behörden von einem „blinden Vergeltungsakt“ für die Aufsehen erregenden Details aus dem Bericht des Justizministeriums (DOJ) aus.

Demnach haben Polizei und Justiz in dem 21 000 Einwohner zählenden Vorort von St. Louis über viele Jahre die mehrheitlich schwarze Bevölkerung routinemäßig schikaniert, deren Bürgerrechte verletzt und damit gegen eklatant gegen die Verfassung verstoßen. Dadurch sei das Vertrauen in den Staat „erheblich geschwächt“ worden, sagte der scheidende Justizminister Eric Holder.

Zu den Misständen, die das DOJ nach Durchsicht von 30 000 Akten und Dutzenden Interviews mit Einwohnern aufgedeckt hat, gehören unverhältnismäßig häufige Autokontrollen, Festnahmen ohne erkennbaren Grund und der Einsatz unangemessener Gewalt durch Schlagstock, Waffe oder Polizeihund. In allen Bereichen waren zu weit über 90 Prozent Schwarze betroffen, obwohl sie nur 65 Prozent der Einwohner stellen.

Rassismus - auch gegen den Präsidenten

In E-Mails von Polizeibeamten stellten die Kontrolleure offenen Rassismus fest, der auch vor dem Präsidenten nicht Halt machte. Obama werde kaum seine Amtszeit durchstehen, schrieb ein Officer an einen Kollegen, denn „welcher schwarze Mann hält schon vier Jahre in seinem Job durch“. Rick Henke und William Mudd wurden suspendiert.

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Besonders perfide aus Sicht des Justizministeriums: Um möglichst hohe Einnahmen zu erzielen, nahm die Polizei bei Routine-Kontrollen immer wieder Schwarze aus prekären sozialen Verhältnissen fest, gegen die bereits ein Haftbefehl wegen nicht bezahlter Knöllchen vorlag. Von 21 000 Einwohnern in Ferguson, das Gros Afro-Amerikaner, hatten zum Zeitpunkt der Untersuchung 16 000 ausstehende Vollzugsbefehle.

Um Abhilfe zu schaffen, verhandelt das Justizministerium mit dem fast ausschließlich mit weißen Beamten besetzten Polizei-Revier in Ferguson wie schon in rund 20 Fällen vorher (New Orleans, Cleveland etc.) über ein Programm, das Rassendiskriminierung bei Strafverfolgung und Gefahrenabwehr ausschließen soll. Gibt es keine Einigung, wird die neue Justizministerin Loretta Lynch die Polizei in Ferguson voraussichtlich vor Gericht ziehen, heißt es in Washington. „Die jüngsten Schüsse werden die Kooperationsbereitschaft des Polizei-Reviers nicht steigern“, sagte ein Kommentator im US-Frühstücksfernsehen.