Los Angeles. Schon wieder ein Fall von fragwürdiger Polizeigewalt: In L.A. haben Ordnungshüter einen Ärmsten der Armen erschossen - und wurden dabei gefilmt.

Africa“ ist tot. Und bis gestern Abend dürften über zehn Millionen Menschen im Internet gesehen haben, wie er gestorben ist: bei einem Polizeieinsatz ins Los Angeles, der nach den tödlichen Zwischenfällen in Ferguson, New York und Cleveland erneut massive Zweifel an der Befähigung mancher Ordnungshüter in Krisensituationen auslöst.

„Africa“ war einer von 13.000 Obdachlosen, Drogenabhängigen, Kleinkriminellen, Alkoholikern und psychisch kranken Menschen, die im heruntergekommenen Teil der Innenstadt von Los Angeles ihr Dasein zwischen Crack, Prostitution, Diebstählen, Erpressung und Gewalt fristen.

Das KZ ohne Zäune - für die Elenden der Stadt

„Skid Row“, keine 20 Häuserblocks groß, ist seit Jahrzehnten Amerikas größter Open-Air-Sammelplatz für die Elendigsten der Elenden. Tausende vegetieren hier in provisorischen Zelten auf den Bürgersteigen vor sich hin. Die Kommunalpolitik will es so.

Laut Statistik sterben hier pro Jahr um die 100, meist an den Folgen einer Überdosis. Dass die Polizei tödliche Gewalt ausübt, ist selten. Deon Joseph, ein Beamter, den diese Zeitung vor kurzem bei der Arbeit begleiten durfte, geht seit 17 Jahren Streife in Skid Row. Er nennt das Gebiet ein „Konzentrationslager ohne Zaun“, gewollt von Politikern, die die „Verlierer der Gesellschaft lieber an einem Platz haben wollen anstatt ihnen aus dem Sumpf zu helfen“. Der muskelbepackte Schwarze, der in Skid Row großes Vertrauen genießt, weil er die Ausgestoßenen mit Respekt behandelt, hat noch nie die Waffe gezogen.

Fünf Schüsse aus drei Waffen

Auch darum werfen fünf Kugeln aus drei verschiedenen Polizei-Dienstpistolen, die „Africa“ töteten, Fragen auf. Wie Videos belegen und Polizei-Sprecher Andrew Smith bestätigte, gab es am Sonntag vor einem der vielen Zelte an der San Pedro Street, die tagsüber verboten und nachts geduldet sind, ein Gerangel zwischen dem unbewaffneten Tatverdächtigen und mehreren Streifenbeamten. Sie warfen den Obdachlosen, der vermutlich wegen Drogen oder Alkohol erkennbar wankte, zu Boden, prügelten auf ihn ein und versuchten ihn mit einem Elektroschocker ruhig zu stellen. Als „Africa“, so Smith, nach der Waffe eines der Beamten gegriffen habe, was im Video nichts zu sehen ist, fielen Schüsse. Drei Beamte hatten aus nächster Nähe abgedrückt. „Africa“ starb an Ort und Stelle.

Augenzeugen, die meisten ebenfalls Obdachlose, haben die Szenen mit dem Handy gefilmt. Sie sind empört. „Der Mann war erst seit vier Monaten hier, hatte vorher zehn Jahre in der Psychiatrie“, gab eine Frau zu Protokoll, „er war krank, aber keine Bedrohung.“ Die Polizeiführung in L.A. hat eine umfassende Untersuchung angekündigt. Von Überwachungskameras, die überall in Skid Row installiert sind, und der Mini-Kamera am Revers eines der beteiligten Beamten erhofft man sich Aufschluss.