Ferguson. Untersuchungsbericht: Sechs Monate nach dem Tod von Michael Brown wirft das US-Justizministerium der Polizei Fergusons offenen Rassismus vor.

Die Erschießung des schwarzen Jugendlichen Michael Brown durch einen weißen Ordnungshüter in Ferguson löste im vergangenen Jahr in vielen Städten Amerikas Empörung und teilweise gewalttätige Demonstrationen aus. Jetzt kommt ans Licht: Die Tragödie hat sich in einem Polizei-Klima ereignet, das von rassistischer Voreingenommenheit geprägt ist. Auch die Justiz in dem Vorort von St. Louis im Bundesstaat Missouri ist davon nicht frei.

Wie das US-Justizministerium nach monatelangen Untersuchungen gestern erklärte, hat die Polizei in Ferguson über Jahre die mehrheitlich schwarze Bevölkerung routinemäßig schikaniert, deren Bürgerrechte verletzt und damit gegen die Verfassung verstoßen. Dadurch sei das Vertrauen in den Staat erheblich geschwächt worden.

Obama? - "Welcher schwarze Mann hält vier Jahre in seinem Job durch"

Zu den Misständen, die das Ministerium nach Durchsicht von Akten und Interviews mit Einwohnern aufgedeckt hat, gehören unverhältnismäßig häufige Autokontrollen inklusive der Verhängung von Strafzetteln, Festnahmen ohne erkennbaren Grund und der Einsatz unangemessener Gewalt durch Schlagstock, Waffe oder Polizeihund. In allen untersuchten Bereichen waren zu weit über 90 Prozent Schwarze betroffen, obwohl sie nur rund 65 Prozent der Einwohner stellen.

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In E-Mails von Polizeibeamten stellten die Kontrolleure aus Washington offenen Rassismus fest, der auch vor dem Präsidenten nicht Halt machte. Obama werde kaum seine Amtszeit durchstehen, schrieb ein Officer, denn „welcher schwarze Mann hält schon vier Jahre in seinem Job durch“.

Vollzugsbefehle gegen 16.000 von 21.000 Einwohnern

Besonders perfide aus Sicht des scheidenden Justizministers Eric Holder: Um möglichst hohe Einnahmen zu erzielen, nahm die Polizei bei Routine-Kontrollen im öffentlichen Raum immer wieder Schwarze fest, gegen die ein Vollstreckungsbefehl wegen nicht bezahlter Knöllchen vorlag. Bußgelder, die oft aus Nichtigkeiten wie „bei Rot über die Straße gehen“, „fehlender Gehorsam“ oder „Störungen der öffentlichen Ordnung“ entstanden sind. Mit Hilfe der örtlichen Gerichte sind viele Betroffene, die häufig aus sozialen schwachen Familien stammen, ins Gefängnis gesteckt worden, weil sie die Strafen nicht begleichen konnten. Von 21 000 Einwohnern in Ferguson hatten zum Zeitpunkt der Untersuchung sage und schreibe 16 000 ausstehende Vollzugsbefehle.

Ferguson ist kein Ausnahmefall - sondern ein Teil der Regel

Um Abhilfe zu schaffen, verhandelt das Justizministerium mit dem in überwältigender Mehrzahl mit weißen Beamten bestückten Polizei-Revier in Ferguson wie schon in rund 20 Fällen vorher (New Orleans, Cleveland etc.) über ein Programm, das Rassendiskriminierung bei Strafverfolgung und Gefahrenabwehr künftig ausschließen soll. Gibt es keine Einigung, wird die neue Justizministerin Loretta Lynch die Polizei in Ferguson voraussichtlich vor Gericht ziehen. Fergusons Polizei-Chef Tom Jackson hatte im Herbst 2014 gegenüber Journalisten erklärt, er sehe der Untersuchung aus Washington gelassen entgegen. „Wir haben uns nichts vorzuwerfen.“

Alec Karakatsanis, Anwalt der Bürgerrechts-Organisation „Equal Justice Under Law“ warnte davor, die Ergebnisse als Einzelfall zu betrachten. In vielen Städten Amerikas gebe es strukturelle Probleme bei Polizei und Justiz, die mit Vorurteilen und latentem Rassismus zu tun haben. „Ferguson hat geholfen, das Scheinwerferlicht darauf zu lenken.“